BMBF-Projekt KAHR: Forschung unterstützt den sozialen Wieder- und Neuaufbau nach der Flutkatastrophe 2021

Die Bilder der Flutkatastrophe haben weltweit Aufmerksamkeit erregt: Nachbarn, Verwandte und Freunde halfen sofort. Der Zusammenhalt war beeindruckend. Wie geht es den Menschen dort heute? Umfrageergebnisse bieten Einblick in die aktuelle Situation.

Die Gestaltung des Wiederaufbaus ist ohne den Blick auf die soziale Situation in den Flutgebieten nicht machbar: Daher hat das vom BMBF geförderte Projekt „Klimaanpassung, Hochwasser und Resilienz (KAHR)" erstmalig auch Zahlen und Fakten zur sozialen Situation erhoben. Die Leitfrage lautet: Wie geht es den Menschen heute und wie haben sich ihre sozialen Infrastrukturen entwickelt? Erste Ergebnisse haben die Forschenden im 3. Wissenschafts-Praxis-Dialog Mitte Juni 2023 präsentiert und mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Praxis reflektiert.

Seitens des BMBF wurde der Dialog mit einer Videobotschaft der BMBF-Staatssekretärin Judith Pirscher eröffnet. Begrüßt wurden die Teilnehmenden auch von Cornelia Weigand (Landrätin für den Kreis Ahrweiler) und Kathrin Eder (Klimaschutzministerin von Rheinland-Pfalz).

KAHR präsentiert Zahlen zur sozialen Situation in den Flutgebieten

Das KAHR-Forschungsteam hat ausführliche Daten zur sozialen Situation der Menschen in den Flutgebieten präsentiert. „Diese Zahlen finden Sie noch in keiner Statistik oder einem Mikrozensus", erklärte Prof. Dr. Jörn Birkmann, Leiter des Projekts KAHR für Rheinland-Pfalz. Die Ergebnisse geben einen Überblick über die wichtigsten Fragen und sind auf der KAHR-Webseite einsehbar. An der Podiumsdiskussion dazu nahmen im Rahmen des Wissenschafts-Praxis-Dialogs unter anderem auch Landrätin Weigand und Klimaschutzministerin Eder teil.

Hierbei wurde deutlich: An den Umfrageergebnissen von KAHR lässt sich zeigen, dass die Flutkatastrophe die Menschen womöglich auch deshalb so schwer mental getroffen hat, weil 80 Prozent nicht davon ausgegangen waren, durch Hochwasser gefährdet zu sein. Laut den Erkenntnissen von KAHR litten ein Jahr nach der Katastrophe rund 28 Prozent der Befragten unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik liegt diese Quote bei 1,5 Prozent. Viele traumatisierte Menschen erhalten kompetente Beratung und Unterstützung im eigens dafür gegründeten Trauma Hilfe Zentrum im Ahrtal unter Leitung von Dr. Katharina Scharping. Dennoch gibt es zu wenige Therapieplätze.

Soziale Infrastrukturen spielen eine wichtige Rolle

Nicht zuletzt sind auch die vielen zerstörten und an einigen Orten noch nicht erneuerten Infrastrukturen belastend für die Menschen. Ein Jahr nach der Katastrophe waren 14 Prozent der Betroffenen weggezogen und rund sechs Prozent planten einen Umzug. Das reißt weitere Lücken in die Nachbarschaftshilfe, Vereine und Gemeinschaften.
Für die psychische Stabilisierung sind die sozialen Infrastrukturen von großer Bedeutung: Dazu gehören nach der Definition von KAHR beispielsweise Schulen, Krankenhäuser, Sport- und Kulturvereine, Kirchen, Bürgerinitiativen und ähnliche. Bürgernahe Initiativen sind wichtige Anlaufstellen für Beratung, Begegnung und Austausch. Sie bieten schnelle und unkomplizierte Soforthilfe und Kontinuität. Außerdem informieren und vermitteln sie zwischen Bürgerinnen, Bürgern und Behörden, fördern Integration und sorgen für Gleichbehandlung.

Soziale Infrastrukturen können schnell und unbürokratisch auf die Bedarfe Betroffener reagieren

Die Befragungen zeigen aber auch, dass 56 Prozent der Befragten vor Ort bleiben wollen, da sie sich „in ihrer Umgebung stark verwurzelt" fühlen. Fast 60 Prozent der Haushalte sind daher bereit, privates Kapital in den Hochwasserschutz zu investieren. Gleichzeitig erwarten sie, dass die öffentliche Hand Schutz- und Anpassungsmaßnahmen für wichtige Infrastrukturen finanziell unterstützt.

Hintergrund

Das BMBF fördert die Sofortmaßnahme „Klimaanpassung, Hochwasser und Resilienz (KAHR)" mit rund fünf Millionen Euro. Damit werden dreizehn Projektpartner aus unterschiedlichen Fachbereichen unterstützt, die im Verbund KAHR eng zusammenarbeiten.
Die Gesamtkoordination hat Prof. Dr.-Ing. Jörn Birkmann, Institutsleiter für Raumordnung und Entwicklungsplanung (IREUS), an der Universität Stuttgart. Der Verbund vereint gezielt Fachexpertisen aus den Bereichen Stadt- und Raumplanung, Hydrologie, Wasserbau und -wirtschaft, Gebäudetechnologie, Natur- und Umweltrisiken sowie aus der Innovations- und Systemforschung. Die Forschenden sind bereits gut in den betroffenen Gebieten in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen vernetzt und gehen direkt auf die Praxisakteure auf Landes- und Kreisebene zu. Das Forschungsprojekt hat unter anderem Praxispartner aus dem Wasserverband Eifel-Rur (NRW) und dem Landkreis Ahrweiler (RLP) eingebunden, denen als Akteure vor Ort eine Schlüsselrolle zukommt. Das KAHR-Projekt läuft vom 1. November 2021 bis zum 31. Dezember 2024.