SharpGreens: Mit Kohlgemüse Gesundheit und Biodiversität stärken

Dr. Katja Witzel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau. Zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen hat sie sich zum Ziel gesetzt, die Biodiversität von Kohlgemüsearten zu erfassen, die einen besonders hohen Gehalt an gesundheitsfördernden Pflanzeninhaltsstoffen aufweisen.

Das Forschungsvorhaben SharpGreens wird im Rahmen der Förderrichtlinie zur „Erforschung der Zusammenhänge zwischen Biodiversität und menschlicher Gesundheit – ein Beitrag zur Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Frau Dr. Witzel, welche Ziele verfolgen Sie mit dem Projekt SharpGreens?
Obst und Gemüse sind wichtig für eine gesunde Ernährung, denn sie liefern viele Nährstoffe, Ballaststoffe sowie sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse weisen sogar bei einem regelmäßigen Konsum einen positiven Effekt auf die psychische Gesundheit nach. Trotzdem erreichen die meisten Menschen mit Bezug auf ihren Obst- und Gemüseverzehr nicht die wissenschaftlich empfohlene Tagesmenge. In unserem Projekt nutzen wir die große Vielfalt von Kohlgemüse, um Sorten zu finden, die einen besonders hohen Gehalt an gesundheitsfördernden Pflanzeninhaltsstoffen haben. Hier interessiert uns besonders die Gruppe der Senfölglykoside, die einerseits für den charakteristischen teils senfartigen scharfen Geschmack von Kohlgemüse verantwortlich sind, von denen aber auch eine hohe antibakterielle, krebspräventive und entzündungshemmende Aktivität ausgehen kann. Wir wollen zeigen, dass eine große Vielfalt in der pflanzlichen Ernährung zur menschlichen Gesundheit beiträgt.

Was sind bioaktive Pflanzenstoffe und welche Vorteile haben Sie für den Menschen?
Bioaktiv sind hauptsächlich sogenannte sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, wie zum Beispiel Farb-, Abwehr- und Aromastoffe. Pflanzen produzieren diese Stoffe in kleinen Mengen, um Insekten anzulocken oder sich vor Fressfeinden zu schützen. Pflanzen haben so im Laufe der Evolution ca. 100.000 verschiedene Substanzen entwickelt, wobei man schätzt, dass ein Zehntel davon in der menschlichen Ernährung eine Rolle spielen. Und auch im Menschen zeigen viele dieser Pflanzenstoffe eine Wirkung, daher spricht man von „bioaktiv". Manche Substanzen haben eine positive Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System, verringern die Wahrscheinlichkeit an Krebs, an Typ-2-Diabetes oder altersbedingten Augenleiden zu erkranken oder stärken das Immunsystem.

Ihr Projekt SharpGreens verfolgt einen interdisziplinären Ansatz. Mit welchen Disziplinen werden Sie zusammenarbeiten und wie sieht die Zusammenarbeit aus?
In unserem Projekt führen wir die Expertise von verschiedenen Disziplinen wie Pflanzenwissenschaft, Lebensmittelchemie, Medizin und Gemüseproduktion zusammen. Unser Ziel ist es, die Biodiversität von Kohlgemüsearten zu erschließen und Sorten zu identifizieren, die mit gesundheitsfördernden sekundären Pflanzeninhaltsstoffen angereichert, und neben dem Verzehr als Rohmaterial auch zur Erzeugung innovativer Lebensmittelprodukte geeignet sind. Im ersten Schritt wird bei uns am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau die Biodiversität von mehreren Hundert Kohlgemüsesorten (Kohlrabi, Wirsing, Blumenkohl, Weißkohl, Rotkohl und Grünkohl) im Hinblick auf die bestmögliche Kombination gesundheitsfördernder Inhaltsstoffe untersucht. Da die besten Sorten später in den Anbau gehen bzw. in Züchtungslinien einfließen sollen, werden wir von Züchtungsfirmen und Gemüseproduzenten beraten. Im zweiten Schritt werden in einer medizinischen Studie die gesundheitsfördernden Effekte der besten Sorten beim Menschen untersucht.

Was macht den Gemüsekohl im Vergleich zu anderen Nutzpflanzen für Sie so interessant, insbesondere für die Anwendung in der Gesundheitsvorsorge?
Der Anbau und Verzehr von Kohlgemüse hat eine sehr lange Tradition und hohe Akzeptanz in Deutschland, auch wenn Kohlgerichte früher als Arme-Leute-Essen galten. Heute wissen wir viel mehr über die gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe und Kohl hat sich zu einem richtigen Superfood entwickelt. Außerdem wird Kohl das ganze Jahr über verzehrt, in Form von frischem Kohlrabi, Grünkohl und Sauerkraut im Winter, Rotkohl im Döner oder zur Weihnachtsgans. Wenn die Konsumentinnen und Konsumenten also bessere Sorten für den Verzehr zur Verfügung gestellt bekommen und wissen, warum Kohlgemüse einen hohen Einfluss auf das Wohlergehen hat, dann stärken wir unsere Gesundheit und senken das Risiko für bestimmte Erkrankungen.

Welche Erwartungen haben Sie nach Abschluss des Projektes?
Das Projekt hat mehrere Ziele. Zum einen wollen wir Kohlgemüsesorten mit verbesserter Nährstoffqualität bereitstellen und zeigen, dass der Verzehr zur menschlichen Gesundheit beiträgt. Wir wollen aber auch daran mitwirken, die Artenvielfalt in der Ernährung und im Gemüseanbau zu erhöhen, da diese in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen ist. Ein weiterer wichtiger Punkt für uns ist die Wissensvermittlung in die breite Öffentlichkeit. Im Rahmen von Veranstaltungen mit Schulen, Vortragsreihen, Kochevents, Ausbildungen für Ernährungsberaterinnen und Ernährungsberater sowie Lehrerinnen und Lehrer wollen wir unser Wissen über die gute Wirkung einer vielfältigen pflanzlichen Ernährung auf die menschliche Gesundheit teilen.

 

Fördermaßnahme zur Erforschung der Zusammenhänge zwischen Biodiversität und menschlicher Gesundheit (BiodivGesundheit)

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert mit der Fördermaßnahme zur „Erforschung der Zusammenhänge zwischen Biodiversität und menschlicher Gesundheit – ein Beitrag zur Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt" Forschungsprojekte, die grundlegende Beiträge zum Verständnis der Zusammenhänge zwischen einer biodiversen Umgebung und der menschlichen Gesundheit schaffen. So sollen mithilfe innovativer Ansätze Gefahren und Nutzen für die physische und psychische menschliche Gesundheit identifiziert werden, die kausal mit Biodiversität zusammenhängen oder sich aus Veränderungen der Biodiversität ergeben. Neben dem Erschließen eines grundsätzlichen Verständnisses zu den Zusammenhängen zwischen Biodiversität und menschlicher Gesundheit sollen die Ergebnisse aber auch für Prävention und Gesundheitsförderung sowie für therapeutische Ansätze gegen körperliche und psychische Leiden genutzt werden können.