Projekt BioVal im Interview – Biodiversität messen und bewerten bei der Lebensmittelproduktion

Ulrike Eberle vom ZNU-Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung möchte, dass Biodiversitätsschutz entlang der Wertschöpfungskette von Lebensmitteln besser wertgeschätzt und berücksichtigt wird. Dazu wird dringend Forschung benötigt, wie Biodiversität in diesem Zusammenhang gemessen und bewertet werden kann. Biodiversität in das Nachhaltigkeitsmanagement zu integrieren und die Messbarkeit von Biodiversität auf Produktebene stehen im Zentrum des Vorhabens. Hierfür ist die Unternehmensseite wichtig, daher arbeiten im Projekt Unternehmen, die Pioniere beim Nachhaltigkeitsmanagement sind, mit.

In der Fördermaßnahme BiodiWert forschen Forschungsverbünde zu den Ursachen des ungebremsten Verlustes von Biodiversität und entwickeln innovative Ansätze zur Erhaltung. Im Fokus steht dabei die Wertschätzung von Biodiversität und Ökosystemleistungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Insgesamt 17 Projekte starteten in die zweite Förderphase. "BioVal" ist eins davon. Das Projektteam konzentriert sich auf die Erstellung von Lebensmitteln - vom Acker bis hin zum Vertrieb. Die Lebensmittelproduktion hat einen wesentlichen Einfluss auf den Zustand der Biodiversität. BioVal will Managementinstrumente zur Förderung von Biodiversität in einem transdisziplinären Forschungsansatz gemeinsam mit Unternehmen der Praxis nicht nur entwickeln, sondern auch erproben und weiterentwickeln.

Interview

Das Projekt heißt „BioVal". Wofür steht das Akronym?

Ulrike Eberle: BioVal steht für ‚Biodiversity Valuing and Valuation', also die Wertschätzung und Bewertung von Biodiversität. Denn das ist der Kern unseres Vorhabens: Wir wollen die Wertschätzung von Biodiversität entlang von Wertschöpfungsketten von Lebensmitteln steigern und hierfür benötigen wir Instrumente, die Biodiversität messen und bewerten können.

Das Projekt soll dazu beitragen, Biodiversität besser zu schützen. Wie soll das passieren und wie kamen Sie auf die Idee?

Ulrike Eberle: Als Biologin arbeite ich schon sehr lange daran, dass Biodiversität in der Nachhaltigkeitsdebatte stärker berücksichtigt wird. In Unternehmen wird jetzt langsam erkannt, dass Biodiversität ein relevantes Thema ist. Das trifft insbesondere für die Lebensmittelbranche zu, da die Unternehmen nicht nur Biodiversität beeinträchtigen durch ihr Wirtschaften, sondern auch ganz maßgeblich davon abhängig sind, dass sie Ökosystemdienstleistungen nutzen können. Als wir die Idee für das Projekt entwickelten, war dieses Bewusstsein jedoch noch deutlich geringer ausgeprägt.

Es gab ein Vorläuferprojekt, das durch das Bundesamt für Naturschutz gefördert wurde und in dem unter anderem Prof. Jan Paul Lindner und ich eine Methode für die Wirkungsabschätzung von Auswirkungen auf die terrestrische Biodiversität im Rahmen einer Ökobilanz entwickelt haben. Aber es fehlten noch Werkzeuge, wie Biodiversität wirksam in das Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen integriert werden kann. Es wurde schnell klar, dass die Integration von Biodiversität in das Nachhaltigkeitsmanagement und die Messbarkeit von Biodiversität auf Produktebene im Zentrum stehen müssen.

Der Schutz von Biodiversität kann jedoch nicht nur naturwissenschaftlich adressiert werden, da er auch hochgradig normativ ist und gesellschaftliche Wertvorstellungen eine große Rolle spielen. Diese Perspektive bringt Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer ein. Gemeinsam legten wir den Schwerpunkt fest: Wir wollen die Lebensmittelbranche fokussieren, da diese viel zum Schutz und zur Förderung von Biodiversität beitragen kann. Zudem haben wir seitens des ZNU einen guten Zugang zu Unternehmen dieser Branche. Eines der Hauptziele von BioVal ist es, nun verschiedene Instrumente zu entwickeln, die Unternehmen für das Management von Biodiversität nutzen können und die selbstverständlich dazu beitragen sollen, Biodiversität entlang der Wertschöpfungsketten zu fördern und besser zu schützen.

Mit wem arbeiten Sie zusammen und wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen?

Ulrike Eberle: Kern unseres Projektes sind drei Reallabore, in denen wir Instrumente erproben und weiterentwickeln. Hierzu integrieren wir Wissen aus der Praxis mit Erkenntnissen aus unterschiedlichen Disziplinen. Unsere drei Praxisverbundpartnerinnen sind die FRoSTA AG, die Alfred Ritter GmbH & Co.KG sowie die Seeberger GmbH. Alle drei Unternehmen haben bereits seit vielen Jahren ein Nachhaltigkeitsmanagement und sind in ihren Teilbranchen auch als Pioniere bekannt. Das war wichtig für das Konzept unseres Vorhabens. Auf der Wissenschaftsseite arbeiten das ZNU – Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung zusammen mit der Hochschule Bochum, Prof. Dr. Jan Paul Lindner mit seinem Team und dem Zentrum Technik und Gesellschaft (ZTG) der Technischen Universität Berlin, Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer und ihrem Team. So stellen wir sicher, dass wir die verschiedenen benötigten Disziplinen im Projekt vereint haben: Forschende aus der Biologie, aus den Haushalts- und Ernährungswissenschaften, den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften bis hin zu Ingenieurswissenschaften. Des Weiteren arbeiten wir im Arbeitskreis Biodiversität, den wir für das Vorhaben gegründet haben, mit vielen weiteren Unternehmen zusammen, die Interesse am Thema haben.

Was ist das Neue an dem Projekt und wie wollen Sie vorgehen?

Ulrike Eberle: Das Neue am Projekt ist, Managementinstrumente zur Förderung von Biodiversität in einem transdisziplinären Forschungsansatz gemeinsam mit Unternehmen der Praxis nicht nur zu entwickeln, sondern auch zu erproben und weiter zu entwickeln. Innovativ ist unser Vorgehen, da Erkenntnisse aus dem Projekt bereits während der Projektlaufzeit im Arbeitskreis Biodiversität weiteren Unternehmen der Branche vorgestellt und diskutiert werden, so dass ein Praxisaustausch über das engere Verbundvorhaben hinaus stattfindet und Impulse aus diesem Kreis aufgegriffen werden können. Zentral ist auch, dass wir unser Projekt fortlaufend formativ evaluieren und so direkt im Projektverlauf nachsteuern können, insbesondere auch in Bezug auf die Praxisintegration. Dies empfinden wir als sehr wertvoll.

Was erhoffen Sie sich von dem Projekt? Was muss passieren, dass Sie am Ende sagen: „Dieses Projekt war erfolgreich"?

Ulrike Eberle: Wir erhoffen uns, dass wir mit BioVal einen konkreten Beitrag leisten, Biodiversität in Unternehmen der Lebensmittelbranche handhabbar zu machen. Zudem wollen wir mit dem Projekt nicht nur aufzeigen, wie dies gehen könnte, sondern vor allem auch, dass es tatsächlich funktioniert. BioVal wird daher dann erfolgreich sein, wenn die Instrumente unseres Werkzeugkastens, den wir entwickeln werden, tatsächlich genutzt werden, ggfs. weiter angepasst werden und dazu beitragen, dass Biodiversität entlang von Lebensmittelwertschöpfungsketten besser geschützt und gefördert werden kann. Des Weiteren trägt zum Erfolg natürlich ebenfalls bei, wenn unsere wissenschaftlichen Ziele erreicht sind. Das heißt, erstens wenn wir die Methoden zur Wirkungsabschätzung von Biodiversität für die Ökobilanz entwickelt haben und diese in der Ökobilanz Community aufgegriffen werden. Zweitens, wenn BioVal ein Management Framework entwickelt hat, das es ermöglicht, Biodiversitätsmanagement in allen Facetten zu integrieren. Und schließlich auch, wenn wir Erkenntnisse dazu gewonnen haben, wie Biodiversität wahrgenommen wird und wie Konsumentinnen und Konsumenten angesprochen werden können, um selbst zur Förderung von Biodiversität durch den Lebensmitteleinkauf beizutragen.

Projekt Website

„Ziel von BioVal ist es, zu erforschen, wie negative Auswirkungen der Produktion und des Konsums von Lebensmitteln auf Biodiversität verringert werden und diese stattdessen positive Wirkungen entfalten können." https://bio-val.de/

Fördermaßnahme BiodiWert

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert mit der Fördermaßnahme "Wertschätzung und Sicherung von Biodiversität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" (BiodiWert) Projekte, die durch die Entwicklung innovativer Bewertungskonzepte, Governancestrukturen sowie (Politik-) Maßnahmen den Stellenwert von Ökosystemleistungen und Biodiversität auf unternehmerischer und gesellschaftlicher Ebene steigern – und damit wirksam zur Sicherung von Biodiversität beitragen.

Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA)

Mit der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die wissenschaftliche Untersuchung der Biodiversität in Deutschland und die Entwicklung neuer, effektiver Artenschutzmaßnahmen.