„Eine nachhaltige Finanzwirtschaft lebt von klarer Regulierung, effektiven Anreizen und wirkungsvollen Finanzprodukten“
Wie können mehr Investitionen in Klimaschutzprojekte erreicht werden? Im Interview gibt Prof. Dr. Alexander Bassen Einblicke in die Ergebnisse der 14 Projekte, die vom BMFTR gefördert wurden und Empfehlungen an Finanzmarktakteure wie Banken und Anleger geben.

Die Finanzwirtschaft spielt eine wesentliche Rolle beim Klimaschutz. Denn die vielen notwendigen Maßnahmen in den unterschiedlichen Sektoren – wie etwa Industrie, Verkehr und Gebäude – sind teuer und erfordern hohe Investitionssummen. Über den Staat hinaus braucht es auch private Investitionen, damit der Wandel der Finanzwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit gelingt. Dieser Weg zu „Sustainable Finance", zu Deutsch: „Nachhaltige Finanzwirtschaft", basiert auf unterschiedlichen Ansätzen, wie zum Beispiel: Banken und Investoren können gezielt Unternehmen unterstützen, die grüne Technologien entwickeln. Staatliche Institutionen fördern nachhaltige Finanzstrategien etwa durch Investitionen in erneuerbare Energien oder finanzielle Anreize. Auch Privatpersonen leisten einen wichtigen Beitrag, indem sie ihr Geld in nachhaltige Fonds anlegen. All diese Maßnahmen stärken klimafreundliche Entwicklungen und treiben den Wandel zu Nachhaltigkeit und Klimaneutralität voran.
Doch wie lassen sich Finanzmarktakteure – wie Banken, Finanzinstitute und Anleger – dazu motivieren, verstärkt in Klimaschutzprojekte zu investieren? Um diese Frage zu beantworten, startete das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) im Jahr 2022 die Förderinitiative „Klimaschutz und Finanzwirtschaft" und investierte rund elf Millionen Euro in 14 Forschungsprojekte. Die Projekte befinden sich aktuell auf der Zielgeraden und präsentierten ihre Ergebnisse am 3. und 4. Juli 2025 auf der Abschlusskonferenz in Berlin. Im Interview erläutert der Ökonom Prof. Dr. Alexander Bassen von der Universität Hamburg und Leiter des wissenschaftlichen Begleitprojekts der Fördermaßnahme, die wichtigsten Erkenntnisse und deren Umsetzung in die Praxis.

Herr Prof. Dr. Bassen, spätestens seit dem Pariser Klimaabkommen 2015 ist das Thema „Sustainable Finance" fester Bestandteil der internationalen Klimapolitik. Wo steht Ihrer Meinung nach aktuell der Wandel zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft?
Wissen Sie, ich forsche bereits seit über 20 Jahren zu diesem Thema und habe dabei immer wieder Höhen und Tiefen erlebt. Doch ich sehe diesen Wandel – den Transformationsprozess – bereits heute. Denn die wissenschaftlichen Ergebnisse sind so eindeutig, dass es überhaupt keine Frage ist, dass wir durch den Klimawandel ein enormes Risiko haben.
Um diesem Risiko entgegenzutreten, brauchen wir Klimaschutz – und eben die großen Finanzmittel, um Klimaschutz im benötigten Rahmen zu realisieren und so die Erderwärmung begrenzen zu können. Wir sehen trotz wachsender Sustainable-Finance-Volumina noch immer eine erhebliche Finanzierungslücke für die Dekarbonisierung von Industrie, Energie und Gebäuden: Weltweit fehlen Jahr für Jahr dreistellige Milliardenbeträge, um das 1,5-°C-Ziel annähernd zu erreichen.
Das ist eine eindrucksvolle Zahl. Wie kann hierbei die Wissenschaft einen Beitrag leisten, um diese Beträge und Investitionssummen zu mobilisieren?
Forschung im Bereich Sustainable Finance ist unverzichtbar. Denn mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen wird das Fundament für verlässliche Entscheidungen gelegt. Sie müssen beachten, dass die Forschung sich mit allen Finanzmarktakteuren auseinandersetzt – vom Staat über große Banken bis hin zu Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern. Unser Ziel ist es, diese Akteure mit fundierten Daten sowie mit Bewertungsmethoden zu versorgen, mit denen sie Klimarisiken, Biodiversitätsverluste und soziale Folgen in Zahlen angeben können. Auf dieser Basis lassen sich eine klare Regulierung der Finanzmärkte, effektive Anreize und wirkungsvolle Finanzprodukte gestalten. Ein weiterer Aspekt der Forschung ist es, dass sie zum Beispiel auch fehlgeleitete Anreizstrukturen und Greenwashing aufdeckt – das ist ein sehr wichtiges Thema, um Vertrauen in Nachhaltigkeits-Investitionen zu erhalten.
Im Rahmen der Fördermaßnahme „Klimaschutz und Finanzwirtschaft" – kurz KlimFi – hat das Bundesforschungsministerium 14 Projekte gefördert, die aus Universitäten aber auch Unternehmen und außeruniversitären Einrichtungen bestanden. Sie haben diese Projekte begleitet, vernetzt und Ergebnisse zusammengeführt. Wie sieht Ihre Bilanz nach den etwa drei Jahren „KlimFi"-Forschung aus?
Alle KlimFi-Projekte sind mit einem gemeinsamen Ziel gestartet: Sie wollen herausfinden, ob und wie der Finanzsektor die Transformation zur Klimaneutralität wirksam finanzieren und damit einen substanziellen Beitrag zur Erreichung der nationalen und internationalen Klimaziele leisten kann. Insgesamt haben die Projektpartner zahlreiche Policy Briefs zu Lösungsansätzen veröffentlicht, bei unterschiedlichen Veranstaltungen und Workshops die jeweiligen Finanzmarktakteure akquiriert und das gewonnene Wissen weiterverbreitet. Die Forschenden liefern mit konkreten Handlungsempfehlungen das Wissen, um die Werkzeuge und die Netzwerke für Sustainable Finance in Deutschland und Europa von der Theorie in die Praxis zu überführen. Deswegen war auch die Zusammensetzung der Projektpartner bewusst so gewählt, dass neben Forscherinnen und Forschern auch die Praxisseite in den Projekten vertreten war.
In Studien zu Haushalten, Fonds und Banken konnten die KlimFi-Projekte eine ausgeprägte und zugleich stark heterogene Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Anlage- und Kreditangebote belegen. Es ist demnach beispielsweise extrem wichtig für Banken, dass sie passgenaue Beratungen und entsprechende Fondprodukte entwickeln, die auf Kunden mit Fokus auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind. Dabei muss man berücksichtigen, dass Nachhaltigkeit sehr unterschiedlich wahrgenommen und bewertet wird – darauf muss in den Beratungen eingegangen werden.
Weitere Ergebnisse sind zum Beispiel: die Entwicklung von Methoden, die die tatsächliche Wirkung nachhaltiger Finanzprodukte sichtbar machen. Finanzierungslösungen, die die klimakompatible Sanierung von Gebäuden entscheidend beschleunigen. Aber auch Beiträge, die zeigen, wie regulatorische Anforderungen von kleinen und mittelständischen Unternehmen pragmatisch umgesetzt werden können. Und es sollte durch qualitätsgeprüfte Nachhaltigkeits-Labels mehr Transparenz in einem noch unübersichtlichen Markt nachhaltiger Geldanlagen geschaffen werden.

Sie sagen, auch Privatpersonen können einen Beitrag zur nachhaltigen Finanzwirtschaft leisten. Können Sie uns hierfür ein Beispiel nennen?
Gerne! Nehmen wir beispielsweise Haus- und Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer. Sie stehen vor der Aufgabe, ihr Eigentum instandzuhalten, damit es auch in Zukunft erhalten bleibt. Im Idealfall sollen diese Sanierungsaufgaben unter Klimaschutzaspekten möglichst energetisch sinnvoll sein. Wenn eine Maßnahme wie etwa der Austausch einer Heizung mit fossilen Brennstoffen oder die Installation einer Solaranlage geplant ist, steht der Besitzer oder die Besitzerin vor vielen Fragen: Gibt es hier staatliche Förderungen oder bekomme ich einen attraktiven Kredit, da ich in ein nachhaltiges Projekt investiere? Auch diesem Gebäudesanierungsaspekt hat sich KlimFi gewidmet. So hat ein Projekt zum Beispiel die Heizkosten von Wohngebäuden analysiert. Das Ergebnis: Die Forschenden empfehlen, die finanzielle Förderung für das energetische Sanieren regional differenziert zu steuern. Hier sehen wir also für Förderer einen konkreten Anpassungsbedarf, damit die Gelder zielgerichteter beim Eigentümer und Eigentümerinnen ankommen.
Ein kurzer Ausblick in die Zukunft: Jetzt liegen alle KlimFi-Forschungsergebnisse vor – wie geht es aus Ihrer Sicht von hier aus weiter auf dem Weg zur nachhaltigen Finanzwirtschaft?
Die KlimFi-Projekte haben viele Antworten auf unterschiedlichste Fragen geben können. Aber natürlich konnten nicht alle Herausforderungen rund um das Problem der Finanzierung aller Klimaschutzmaßnahmen gelöst werden. Wir möchten für die Zukunft erreichen, dass unsere Handlungsempfehlungen bei den unterschiedlichen Akteuren weiterhin Gehör finden – und möglichst auch den Weg zur Umsetzung.
Ein dauerhaft nachhaltiges Finanzsystem verlangt nach mehreren ineinandergreifenden Stellschrauben: Ein glaubwürdiger politischer Rahmen mit klar kommunizierten Klimazielen schafft ein Grundvertrauen, das Kapital in klimafreundliche Geschäftsmodelle lenkt. Ebenso wichtig ist es, dass Sustainable-Finance-Initiativen eng mit der realwirtschaftlichen Regulierung verzahnt werden. Große Wirkung verspricht außerdem der Aufbau offener, standardisierter Nachhaltigkeitsdatenbanken, denn sie reduzieren Berichtslasten, erhöhen die Vergleichbarkeit – wie unter anderem von Labeln – und dämmen Greenwashing ein. Schließlich muss nicht zuletzt auch die Finanz- und Nachhaltigkeitsbildung gestärkt werden: Nur wenn Unternehmen, Beraterinnen und Berater sowie (Klein-)Anleger fundiert entscheiden können, entsteht zusätzlicher Marktdruck für glaubwürdige nachhaltige Finanzprodukte.
Das heißt, auch für die Zukunft sehe ich noch wichtige Forschungsthemen zu Sustainable Finance. Gerade wenn es darum geht, die Wirkung – wir sprechen dann von „Impact" – von nachhaltigen Finanzprodukten und -strategien zu messen, sehe ich noch Forschungsbedarf. Aber auch die Fragen der verschiedenen Effekte von Offenlegung bleiben oft unbeantwortet.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person
Univ.-Prof. Dr. Alexander Bassen ist ordentlicher Professor für Kapitalmärkte und Unternehmensführung an der Universität Hamburg, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und lehrt in den Bereichen Investition und Finanzierung sowie Sustainable Finance and Accounting. Er ist unter anderem Inaugural Chair des Greenhouse Gas (GHG) Protocol's Independent Standards Board (ISB) und Mitglied in mehreren Beratungsausschüssen für Sustainable Finance. In der Vergangenheit war er Mitglied im Sustainability Reporting Board (SRB) und der Project Task Force (PTF) der European Sustainability Reporting Standard (ESRS) der EFRAG zur Beratung der Europäischen Kommission bei der Entwicklung des verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichtsstandards, im Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung (RNE), im Sustainable Finance Beirat und im wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung (WBGU) sowie der G7 Impact Task Force.