Phosphorrückgewinnung: Verschiedene Wege führen zum Ziel
Ab 2029 sind Betreiber großer Kläranlagen gesetzlich verpflichtet, Phosphor aus Klärschlamm zurückzugewinnen. Dafür stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung: beispielsweise biolog-sche Methoden, die Phosphor direkt aus dem Schlamm herauslösen. Demgegenüber stehen hochtechnologische chemische Verfahren, die den Nährstoff aus Klärschlammaschen recyceln. Wie diese Ansätze funktionieren, welche Vorteile sie bieten und unter welchen Bedingungen sie sinnvoll eingesetzt werden können, zeigen exemplarisch die Forschungsprojekte AMPHORE und P-Net. Sie laufen seit 2020 in der BMFTR-Fördermaßnahme „Regionales Phosphor-Recycling“ (RePhoR).
Phosphor ist unverzichtbar: Es ist ein wichtiger Bestandteil aller lebenden Zellen und zugleich als Dünger notwendig, um ausreichend Nahrungsmittel für die Bevölkerung herzustellen. Deutschland verfügt jedoch über keine eigenen Rohphosphatvorkommen und ist daher vollständig auf teure Importe angewiesen. Die Bundesregierung verfolgt deshalb das Ziel, mehr Phosphor vor Ort in Deutschland zurückzugewinnen. Eine wichtige Quelle hierfür sind phosphorhaltige Abfälle, insbesondere aus der Abwasserbehandlung. Schätzungen zufolge könnten in Deutschland jährlich bis zu 50.000 Tonnen Phosphor aus Klärschlamm recycelt werden – das entspricht etwa 50 Prozent des jährlichen Bedarfs an mineralischem Phosphatdünger in der Landwirtschaft. Bisher wird jedoch nur ein Bruchteil dieses Potenzials genutzt, da erst wenige Rückgewinnungsanlagen in Betrieb sind. Der gesetzliche Zeitrahmen ist eng; vielerorts müssten Planungen und Genehmigungen deutlich beschleunigt werden, um eine flächendeckende Infrastruktur in Deutschland aufzubauen.
Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) fördert mit der Maß-nahme RePhoR seit 2020 verschiedene Ansätze zum Phosphorrecycling, die in der Praxis großtechnisch erprobt werden. Die unter realen Bedingungen gewonnen Erfahrungen sollen dazu beitragen, Anlagenbetreiber bei der Auswahl geeigneter Verfahren und somit bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu unterstützen.
P-Net: Ganzheitlicher, ressourcenschonender Ansatz
Ein innovativer, vergleichsweise einfacher Weg wird im Projekt P-Net erprobt. Auf den Kläranlagen Braunschweig und Gifhorn setzen die Beteiligten rund um Projektkoordinator Professor Thomas Dockhorn von der Universität Braunschweig ein biologisches Phosphor-Rücklöseverfahren kombiniert mit Struvitfällung großtechnisch um. Grundlage ist das sogenannte Peco-Verfahren, das Professor Dockhorn mit seinem Team entwickelt hat. Es ergänzt die Struvit-Verfahren, die bereits auf mehreren Kläranlagen in Deutschland im Einsatz sind. Der Phosphor wird hierbei aus dem sogenannten Überschussschlamm – einem Nebenprodukt der biologischen Abwasserreinigung, das noch vor der üblichen Faulung anfällt – unter Luftabschluss biologisch gelöst. Anschließend wird er durch Zugabe von Magnesium und Lauge als Struvit aus dem Prozesswasser ausgefällt. Struvit ist ein kristalliner Stoff, der als hochwertiger Dünger eingesetzt werden kann. Das Verfahren funktioniert sowohl auf Kläranlagen mit biologischer Phosphorelimination als auch in Anlagen, die Phosphor mit eisenhaltigen Fällmitteln aus dem Abwasser entfernen.
„Ein großer Vorteil unseres Ansatzes ist, dass wir für die Phosphor-Rücklösung keine Chemikalien benötigen. Im Unterschied zu anderen Verfahren erfolgt dies also rein biologisch", sagt Professor Dockhorn. Der Vorgang sei soweit optimiert worden, dass deutlich höhere Rückgewinnungsraten als in herkömmlichen Struvit-Anlagen erreicht würden. „Wir konnten die Quoten von circa 20 auf bis zu 70 Prozent steigern. Kläranlagenbetreiber können somit die neuen gesetzlichen Vorgaben zum Phosphorrecycling direkt vor Ort wirtschaftlich erfüllen."
Ein weiterer Pluspunkt: Die Technologie zur Struvitgewinnung lässt sich relativ einfach in bestehende Kläranlagen integrieren. Größere Umbauten sind oft nicht nötig. Im P-Net-Projektgebiet zwischen Harz und Heide verfügen viele Klärwerke bereits über die nötige Grundausstattung. „Wir konnten die bestehende Technik nutzen und mussten lediglich einen von drei Faulbehältern anpassen", berichtet Stefanie Meyer von der Stadtentwässerung Braunschweig. Seit Ende 2023 läuft das Verfahren dort im großtechnischen Dauerbetrieb und erreicht Rücklöseraten von bis zu 70 Prozent. Für eine vollständige Integration in den Regelbetrieb seien allerdings noch bauliche Anpassungen notwendig. „Derzeit können wir aufgrund begrenzter Anlagenkapazitäten nur einen Teil des anfallenden Klärschlamms nutzen." Ob sich eine vollständige Behandlung wirtschaftlich rechnet, müsse noch geprüft werden.
Der in P-Net zurückgewonnene Phosphor wird standortnah verwertet. Dafür wurde ein regionales Netzwerk aufgebaut, um den Struvit-Dünger als hochwertiges Produkt für die Landwirtschaft zu vermarkten, das sich sogar für den ökologischen Landbau eignet. „Zwar produzieren wir derzeit nur kleine Mengen an Struvit", erklärt Professor Dockhorn. „Aber für die künftig anfallenden Mengen in der Region besteht ein ausreichender Absatzmarkt." Das Projekt verfolgt bewusst einen ganzheitlichen Ansatz: ökologisch verträglich, wirtschaftlich tragfähig und mit regionaler Wertschöpfung. Damit kann es auch für andere Standorte als Alternative zu aufwendigeren Verfahren interessant sein.
AMPHORE: Hochtechnologie für belastete Klärschlammaschen
Komplexere Verfahren eignen sich besonders für Klärschlämme, die die Grenzwerte der Düngemittelverordnung – beispielsweise für Schwermetalle – nicht einhalten. Diese entstehen vor allem in großen Ballungsräumen mit zahlreichen Industrie- und Gewerbebetrieben; etwa im Ruhrgebiet und den umliegenden Verbandsgebieten der fünf Wasserwirtschaftsverbände Ruhrverband, Emschergenossenschaft/Lippeverband, Wupperverband und der Linksniederrheinischen Entwässerungs-Genossenschaft (LINEG). In den Verbandsgebieten fallen rund zehn Prozent des gesamten deutschen Klärschlamms an.
Zur Phosphorrückgewinnung wird dort im Rahmen des RePhoR-Projekts AMPHORE die nasschemische PARFORCE-Technologie erstmals großtechnisch erprobt. Als Phosphorquelle dient die Asche, die nach der Klärschlammverbrennung zurückbleibt. Um den Nährstoff herauszulösen, wird die Asche mit Salzsäure behandelt. Anschließend kommen spezielle Membran- und weitere Separationsverfahren zum Einsatz, um unerwünschte Begleitstoffe gezielt abzutrennen. So wird konzentrierte Phosphorsäure erzeugt – ein marktfähiges Produkt mit stabiler Qualität, das beispielweise für die Düngemittelherstellung und in der Industrie Verwendung findet.
Die Technologie kommt in einer Demonstrationsanlage auf der Kläranlage Bottrop zum Einsatz. Nach der erfolgreichen mehrmonatigen Inbetriebnahmephase ist die Anlage seit März 2025 offiziell in Betrieb. Sie ist für eine Jahreskapazität von rund 1.000 Tonnen Asche ausgelegt. In der Anlage werden nacheinander unterschiedliche Qualitäten von Klärschlammaschen untersucht. „Ziel ist es, die vielversprechenden Ergebnisse der Inbetriebnahmephase zu bestätigen, dauerhaft eine Phosphor-Rückgewinnungsrate von mindestes 80 Prozent zu erreichen und somit die gesetzlich geforderten Werte einzuhalten", sagt Projektkoordinatorin Hanna Evers vom Ruhrverband.
Neben der Phosphorsäure entstehen auch Nebenprodukte wie Metallsalzlösungen, die bei Eignung etwa als Fällmittel direkt auf der Kläranlage wieder genutzt werden könnten. „Ein nasschemisches Phosphor-Recycling kann besonders im industriellen Umfeld sinnvoll sein", erklärt Evers. „Hier sind nicht nur die nötige Infrastruktur und Chemikalien bereits vorhanden – es bestehen auch direkte Abnahmemöglichkeiten für die Recyclingprodukte."
Da das nasschemische Verfahren aber viel Energie und Chemikalien verbraucht, steht bei den Projektbeteiligten insbesondere auch die Optimierung der Verfahrenstechnik im Fokus. Übergeordnetes Ziel in AMPHORE ist es, ein wirtschaftlich tragfähiges und gesetzeskonformes Gesamtkonzept zum Phosphor-Recycling für die Projektregion zu entwickeln, das auch auf andere Ballungsräume übertragbar ist.
Noch viele offene Fragen
Die Ergebnisse der RePhoR-Projekte zeigen: Phosphor kann sowohl mit biologischen als auch chemischen Verfahren erfolgreich aus Klärschlamm und Klärschlammasche zurückgewonnen werden. Die Wahl der geeigneten Methode hängt von den örtlichen Bedingungen, der Qualität des Klärschlamms und der vorhandenen Infrastruktur ab. Damit das Phosphor-Recycling flächendeckend Realität wird, müssen jedoch noch einige Herausforderungen gemeistert werden. So ist die rechtliche Einordnung der Recyclingprodukte als Düngemittel noch nicht abschließend geregelt. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit vieler Verfahren hängt stark von lokalen Marktbedingungen und Fördermöglichkeiten ab. Besonders für kleinere Kläranlagen stellen Investitions- und Betriebskosten eine Herausforderung dar. Auch die Akzeptanz neuer Düngemittel am Markt muss weiter gestärkt werden.
P-Net und weitere Verbundprojekte der BMFTR-Fördermaßnahme RePhoR stellen ihre Ergebnisse auf den DWA Klärschlammtagen in Würzburg vom 3. bis 5. Juni 2025 vor. Hier gibt es das Programm zum Download. Einen umfassenden Überblick zu allen Vorhaben und Praxisimpulse gibt der RePhoR-Statusbericht.