gARTENreich - „Vielfältige Gärten sind lebendig“

Der Schutz der Biodiversität gehört zu den globalen Herausforderungen unserer Zeit. Das eigene Verhalten spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle wie Schutzprogramme oder Gesetze. Wie man als Privatperson mit dem eigenen Garten einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Biodiversität leisten kann, berichtet Dr. Alexandra Dehnhardt vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Berlin und Projektleiterin von gARTENreich.

Was steckt hinter dem Projekt gARTENreich?
Der Verlust der Artenvielfalt stellt uns vor ebenso große Herausforderungen wie die Klimakrise. Mein Eindruck ist allerdings, dass die Biodiversitätskrise in der öffentlichen Wahrnehmung bislang nicht die gleiche Rolle spielt. Wir wollen mit unserem Projekt das abstrakte Thema Biodiversität „erfahrbar" und Lust auf Artenvielfalt machen. Unsere These: Vielfältige Gärten sind lebendig, erhöhen das Bewusstsein für die Bedeutung von Biodiversität und leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt. Gerade Gärten bieten die Chance, vom Wissen zum Handeln zu kommen. In dem Projekt arbeiten wir mit verschiedenen Institutionen aus Wissenschaft und Praxis sowie kommunalen Partnerinnen und Partnern zusammen. Wir wollen Anreize setzen für individuelle Verhaltensänderungen. Zunächst müssen wir aber erst einmal mehr darüber wissen, wie die Gestaltung von privaten Gärten die Artenvielfalt beeinflusst und welche Faktoren aus sozialwissenschaftlicher Perspektive hierbei relevant sind. Fehlendes Wissen der Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer, ästhetische Vorlieben oder Nutzungsbedürfnisse spielen hier eine große Rolle. Ich bin selbst in einem Haus mit einem großen Garten aufgewachsen, merke jetzt aber, wie wenig Gedanken sich meine Familie über eine vielfältige Gestaltung des Gartens gemacht hat.

Was macht für Sie einen guten Garten aus?
Ein guter Garten im Sinne der biologischen Vielfalt setzt vor allem auf Pflanzen, die bei uns heimisch sind und die den hier lebenden Insekten ausreichend Nahrung bieten; oft sind Pflanzen, die aus anderen Gegenden der Welt zu uns gekommen sind, eben keine gute Nahrungsquelle. Außerdem sollte ein guter Garten reich an unterschiedlichen Strukturen und Kleinstlebensräumen wie Laubhaufen oder Totholz sein – das sind wichtige Lebensräume für Insekten und andere Tiere. Niederschlagswasser sollte frei versickern können, dies ist auch für die Anpassung an den Klimawandel wichtig. Und er wird möglichst naturnah gepflegt, damit Tiere, Wildpflanzen, Boden und Grundwasser nicht gefährdet werden. Ein guter Garten soll diejenigen, die ihn nutzen, ästhetisch ansprechen und ist an die Bedürfnisse der Menschen angepasst, die ihn nutzen: Er spendet also Schatten, bietet Sichtschutz oder hat eine Spielwiese für Kinder und stellt einen Erfahrungs- und Erlebnisraum zur Verfügung. Ein Garten wird aber auch erst dann gut, wenn er mit den vorhandenen zeitlichen Möglichkeiten auch gepflegt werden kann – das muss bei jeder Gartengestaltung von vornherein mitgedacht werden.

Wie können wir mit Privatgärten einen Beitrag für die biologische Vielfalt leisten?
Privatgärten fallen einem sicherlich nicht als Erstes ein, wenn man an Möglichkeiten zur Förderung der biologischen Vielfalt denkt. Die Land- und Forstwirtschaft hat schließlich viel größere Flächen. Dennoch ist das Potenzial von privaten Gärten nicht zu unterschätzen: durch ihre räumliche Verteilung fungieren sie für viele Arten als Trittsteine in ihrem Lebensraum. Und ihre heterogenen Strukturen und ihre Pflanzenvielfalt können Lebensraum und Nahrung für viele Tierarten bieten. Was einzelne Gestaltungs- und Strukturelemente in Gärten konkret bewirken und welchen Gesamtbeitrag private Gärten zur Erhöhung der biologischen Vielfalt erbringen können, untersuchen unsere Projektpartnerinnen und Projektpartner der Universität Jena. Gleichzeitig, und das ist meiner Meinung nach nicht zu unterschätzen, geht es im Vorhaben auch um die Frage der Achtsamkeit im Umgang mit der Natur und der biologischen Vielfalt, die gerade im eigenen Garten wieder erlernt werden kann. Beide Aspekte spielen eine wichtige Rolle in unserem Vorhaben.

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Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert mit der Fördermaßnahme "Wertschätzung und Sicherung von Biodiversität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" (BiodiWert) Projekte, die durch die Entwicklung innovativer Bewertungskonzepte, Governancestrukturen sowie (Politik-) Maßnahmen den Stellenwert von Ökosystemleistungen und Biodiversität auf unternehmerischer und gesellschaftlicher Ebene steigern – und damit wirksam zur Sicherung von Biodiversität beitragen.

Inwieweit werden Privatpersonen gezielt in das Projekt einbezogen?
Das Projekt gARTENreich verfolgt einen inter- wie auch transdisziplinären Ansatz. Das bedeutet, dass wir neben unseren kommunalen Praxispartnerinnen und Praxispartner sehr eng auch mit privaten Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzern oder Gartennutzerinnen und Gartennutzern zusammenarbeiten. Dies geschieht über drei unterschiedliche Formate: In einer Workshopreihe entwickeln wir erstens in unseren Projektgärten sogenannte Biodiversitätsmodule, die den individuellen Bedürfnissen und Vorstellungen der Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer angepasst sind. Dazu zählen etwa die Anlage eines Staudenbeetes oder einer Trockenmauer. Bei den Workshops, unseren Reallaboren, werden Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer in den beiden beteiligten Partnerkommunen, also der Stadt Gütersloh und der Gemeinde Aumühle, sowie Expertinnen und Experten der Projektpartner NaturGarten und NABU eingebunden. Ein Fotowettbewerb in den Kommunen soll zweitens viele Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer aktivieren. Hierfür wurden standortangepasste Saatgutmischungen verteilt, und das Gedeihen der Pflanzen soll die über einen Zeitraum von zwei Jahren von den Teilnehmenden fotografiert werden. Drittens befragt unser Projektpartner Hochschule für Wirtschaft und Recht in zwei weiteren empirischen Untersuchungen, sogenannten Online-Communities und einer bundesweiten Umfrage, eine größere Anzahl an Menschen. Diese Untersuchung soll Aufschluss darüber geben, welche Politikinstrumente zur Förderung der biologischen Vielfalt in Privatgärten erfolgversprechend sein können.

Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, damit Privatpersonen besser über die Gestaltung von artenreichen Privatgärten informiert werden?
Dazu können wir nach Abschluss des Projektes sehr viel mehr sagen, denn genau mit dieser Frage beschäftigt sich unser Projektpartner NABU. In unseren Workshops und in den anderen empirischen Untersuchungen erheben wir nicht nur den Wissensstand der Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer, sondern auch deren Informationsbedarf. Für beides werden geeignete Kanäle und Kommunikationsinhalte analysiert: Ob Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer sich beispielsweise eher über kommunale Angebote informieren oder eher Social Media nutzen, wirkt sich darauf aus, welche Kommunikationskanäle zu ihrer Aktivierung genutzt werden sollten. Entsprechend müssen zielgruppenangepasste Kommunikationsmaterialien und -angebote entwickelt werden, die Lust auf eine vielfältige Gestaltung des eigenen Gartens machen.

Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich von gARTENreich und was sollte nach dem Projekt passieren?
Zum einen wollen wir neue Kenntnisse darüber erlangen, wie die Gartengestaltung sich auf die Artenvielfalt auswirkt. Zum anderen wollen wir mehr über die hemmenden und fördernden Faktoren bei der Umsetzung einer vielfältigen Gartengestaltung in Erfahrung bringen und wir wollen mehr darüber wissen, welche Politikinstrumente, Informationen und Kommunikationskanäle bei Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzern Verhaltensänderungen bewirken können. All dieses Wissen stellt eine wesentliche Grundlage für die Gestaltung von Politik dar: Kommunen sollen dafür Strategien und Handlungsempfehlungen an die Hand bekommen, um aktiv werden zu können. Und natürlich erhoffen wir uns eine breite Aufmerksamkeit für das Thema. Im besten Fall kann das Erfahren von Selbstwirksamkeit im eigenen Garten ein Umdenken über die eigenen Beiträge zu einem ökologischen Wandel der Gesellschaft befördern.