Eine Vulkaninsel im Fokus: Leben unter Extrembedingungen

Können sich Meereslebewesen an stark versauertes und toxisches Meereswasser anpassen? Ein Projekt unter Leitung der Universität Kiel geht dieser Frage nach. Untersuchungsgebiet ist eine Vulkaninsel vor Taiwan. Die Arbeiten werden vom Bundesforschungsministerium im Rahmen der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit mit China gefördert.

Es brodelt immer wieder in den Küstengewässern vor Kueishantao, einer felsigen, kargen Insel im Osten Taiwans, die ein beliebtes Ziel für abenteuerlustige Touristen darstellt. Die vulkanischen Aktivitäten sind spektakulär, sie haben ein einzigartiges Hydrothermalfeld mit einer Vielzahl an heißen Quellen und vulkanischen Gasen geschaffen.

Von großem Interesse ist diese Vulkaninsel auch für Meeresforscher von der Universität Kiel, die zusammen mit Partnern aus China und Taiwan mehrfach das Flachwasser vor der Küste untersucht haben. Der Säuregehalt dieser Gewässer zählt zu den höchsten der Welt, verursacht durch natürli-che Austritte von Kohlendioxid an den Quellen. Das Gas löst sich im Meerwasser und reagiert zu Kohlensäure, wodurch der ph-Wert sinkt – die Folge: Das Wasser versauert.

Die Gewässer vor der Vulkaninsel stellen eine ideale Forschungsumgebung dar, um die Anpas-sungsfähigkeiten von hoch spezialisierten marinen Organismen wie Krebsen, Schnecken und Bakterien an vulkanische Meeresgebiete zu untersuchen. Fünf Jahre lang erhebt das Forscherteam im Rahmen des Projekts „Kueishantao-2" regelmäßig Daten zu geologischen, chemischen, biologischen Prozessen. Das Vorhaben läuft noch bis Dezember 2020. Erste Ergebnisse des Projekts wurden kürzlich in der Fachzeitschrift NatureScientific Reports veröffentlicht.

Zwei gravierende Ereignisse haben diese Messreihen durcheinandergebracht – aber sie sind den-noch äußerst nützlich für das Projekt. So erschütterte im Jahr 2016 ein schweres Erdbeben die Insel, gefolgt von einem Taifun wenige Wochen später. Die Forscherinnen und Forscher erkannten bei der Auswertung der Daten, dass sich die marinen Organismen auch mit den Folgen dieser Ereignisse arrangieren konnten.

Der Meeresboden wurde nach dem Abbruch einer Inselflanke unter einer Schicht von Sediment und Gesteinsschutt begraben. Zudem versiegten die heißen Quellen, und auch die Zusammensetzung des Meerwassers hatte sich verändert. „So bekamen wir die seltene Gelegenheit, unmittelbar nach solchen Ereignissen zu beobachten, wie sich Organismen an die schweren Störungen anpassen", erläutert Projektleiter Dieter Garbe-Schönberg von der Forschungsgruppe „Marine Klimaforschung" der Universität Kiel.

Sein ebenfalls am Projekt beteiligter Kollege Mario Lebrato vom Institut für Geowissenschaften an der Uni Kiel ergänzt: „Unsere Studie zeigt deutlich, wie eng atmosphärische, geologische, biologische und chemische Prozesse zusammenwirken und wie ein Ökosystem mit extremen Lebensbedingungen wie vulkanische Quellen am Meeresboden auf Störungen durch natürliche Ereignisse reagiert." Der Säuregehalt des Wassers, der hohe Gehalt an giftigen Stoffen und die erhöhten Temperaturen an den heißen Quellen bei Kueishantao dienen zudem als Freilandexperiment, um zukünftige Szenarien für den Blauen Ozean zu erforschen – wenn sich durch die Aufnahme noch größerer Mengen Kohlendioxids die marinen Lebensräume möglicherweise stark verändern werden.