JPI Oceans startet internationale Forschung zu Mikroplastik in Europa: einheitliche Messmethoden, Verbleib und Giftigkeit im Fokus

Zum Start von vier internationalen Verbundprojekten unter dem Dach von JPI Oceans, die die Auswirkungen von Mikroplastik im Meer erforschen, treffen sich Wissenschaftler heute in Madrid. Ziel ist eine einheitliche Messmethodik zu Mikroplastik. In den Projekten untersuchen die Forscher außerdem, wie sich die winzigen Plastikpartikel auf marine Ökosysteme auswirken.

Mikroplastik bezeichnet Plastikteilchen, die weniger als fünf Millimeter groß sind. Diese Teilchen entstehen, wenn Plastikmüll im Meer von Wellen und von der UV-Strahlung immer weiter zerkleinert wird, bis er mit bloßem Auge kaum noch zu erkennen ist. Doch nicht nur Plastiktüten und sonstiger Kunststoffabfall sind Ursache für die große Menge an Mikroplastik im Meer: Auch Plastikkügelchen, die in Peeling-Cremes und in Zahnpasta vorkommen, werden von Kläranlagen nicht herausgefiltert und gelangen mit dem Abwasser ins Meer. Das Gleiche gilt für winzige Kunststofffasern, die bei jedem Waschgang aus synthetischer Kleidung gelöst werden.

Das winzig kleine Mikroplastik ist so beständig, dass es in Form immer kleinerer Partikel über Jahrzehnte fortbesteht und sich im Wasser ansammelt. Dort geben die Plastikteilchen giftige Schadstoffe wie Flammschutzmittel und Weichmacher in die Umwelt ab. Im Meer wird das Mikroplastik dann von Meerestieren und Vögeln mit der Nahrung aufgenommen und gelangt so in die Nahrungskette. Bisher ist jedoch unklar, wie gefährlich die Plastikteilchen für die Natur und schließlich auch für den Menschen sind.

Eine internationale Förderinitiative von zehn Ländern, in der Deutschland durch das Bundesforschungsministerium (BMBF) vertreten wird, soll das ändern. Das BMBF betont, wie wichtig ein gemeinsames Vorgehen ist, da es sich bei der Verschmutzung durch Mikroplastik um ein grenzüberschreitendes Problem handele. Eingebettet ist die Ausschreibung zu Mikroplastik in marinen Systemen in die zwischenstaatliche Koordinierungsinitiative Joint Programming Initiative Healthy and Productive Seas and Oceans (JPI Oceans). Beim Kick-off-Meeting in Madrid stellen die Forscher heute ihre Forschungsvorhaben vor und diskutieren, wie ihre Ergebnisse letztendlich in die europäische und weltweite Gesetzgebung einfließen können.

Ein erster Schritt zur Erforschung von Mikroplastik ist die Entwicklung von international einheitlichen Messmethoden, um Ergebnisse aus verschiedenen Regionen miteinander vergleichen zu können. Diesem Ziel widmet sich das Verbundprojekt BASEMAN. Koordiniert wird das Projekt von Dr. Gunnar Gerdts, der die winzigen Plastikteilchen gemeinsam mit dem Chemiker Dr. Sebastian Primpke am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven erforscht. “Was die Aufbereitung von Mikroplastik-Proben angeht, sind die von unterschiedlichen Laboren verwendeten Methoden schwer vergleichbar. Wir wollen für die Methoden, mit denen die Proben aufgearbeitet und anschließend gemessen werden, ein standardisiertes Verfahren entwickeln, um die Art und Menge von Plastikteilchen, die sich im Meer befinden, vergleichbar zu bestimmen“, beschreibt Primpke das Ziel ihrer Forschung. „BASEMAN soll einen Vorschlag machen, was die besten Methoden sind, Mikroplastik aus den verschiedenen Arten von Proben herauszutrennen, um es dann in verschiedenen Laboren mit höchster Vergleichbarkeit vermessen zu können.“

Da es sich bei Mikroplastik um ganz verschiedene Kunststoffe handelt und die Teilchengröße von fünf Millimeter bis zu wenigen Nanometer rangiert, sind unterschiedliche Methoden zur Analyse notwendig. Hinzu kommt, dass sowohl Wasser- als auch Bodenproben sowie Gewebeproben von Meerestieren untersucht werden müssen.

Im Projekt WEATHER-MIC soll erforscht werden, was langfristig mit dem Mikroplastik in der marinen Umwelt geschieht. Dabei wird nicht nur der Zerfall in immer kleinere Teilchen unter die Lupe genommen und welche Umweltfaktoren ihn hauptsächlich beeinflussen. Auch welche Auswirkungen die Verwitterung auf Verbleib und Effekte von Plastikpartikeln hat, wird im Rahmen von WEATHER-MIC geklärt. Koordiniert wird das Projekt von Dr. Annika Jahnke vom Leipziger Helmholtz Zentrum für Umweltforschung: „Vom Treffen in Madrid erhoffe ich mir, dass wir Synergien zwischen den Projekten finden, sodass sich die verschiedenen Partner optimal ergänzen können. Ich bin zum Beispiel schon angefragt worden, wie wir die Verwitterung von Plastik simulieren. Im Labor beschleunigen wir den Prozess, weil es sonst viele Jahre dauern würde. Wenn wir in den verschiedenen Projekten die gleichen Materialien und Methoden anwenden, können wir eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse sicherstellen.“

Ein weiteres Gebiet, das in den kommenden drei Jahren untersucht wird, betrifft die Giftigkeit von Mikroplastik. Die beiden Projekte PLASTOX und EPHEMARE, die sich mit den ökotoxikologischen Auswirkungen von Mikroplastik auf marine Ökosysteme beschäftigen, werden von norwegischen und spanischen Wissenschaftlern koordiniert. Untersucht werden soll beispielsweise, wie viel Mikroplastik von Tieren aufgenommen wird und ob es giftige Stoffe in den Körper der Tiere abgibt. Erhoben wird auch, ob Rückstände von Plastik im Körper verbleiben und in der Nahrungskette aufsteigen, wenn die Tiere gefressen werden. Erst dann kann die von Mikroplastik ausgehende Gefahr für Mensch und Natur in vollem Umfang eingeschätzt werden.

 Da Kunststoff erst seit etwa 60 Jahren weltweit in riesigen Mengen produziert wird, handelt es sich bei Mikroplastik um eine relativ neue Umweltverschmutzung. Dementsprechend gibt es noch keine gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Herstellung, Nutzung und Entsorgung. Die gemeinsame Initiative soll nun die Grundlage für den weiteren Umgang mit Mikroplastik bilden.