Manganknollen: Begehrter Rohstoff und wichtiger Lebensraum

Das JPIO-Projekt MiningImpact untersucht Tiefseeökosysteme im Zentralpazifik

Das deutsche Forschungsschiff SONNE ist von Manzanillo, Mexiko, aus zum zweiten Abschnitt einer 14-wöchigen Forschungsexpedition in die Clarion- Clipperton-Zone aufgebrochen. Die Fahrt wird im Rahmen des europäischen JPI Oceans-Verbundprojektes „MiningImpact (30 Projektpartner aus 9 europäischen Staaten) durchgeführt. Die Expedition SO268 unter der Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel liefert einen wichtigen Beitrag zur Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen für Umweltstandards bei zukünftigem Abbau von Manganknollen in der Tiefsee.

Das Untersuchungsgebiet des Forschungsprojektes „MiningImpact liegt in der Clarion-Clipperton-Zone im Nordost-Pazifik in 4000 bis 5000 Metern Wassertiefe und totaler Finsternis. Hier befinden sich in einem Gebiet von fünf Millionen Quadratkilometern Manganknollen am Meeresboden, deren Metallgehalte das Potential für einen kommerziellen Tiefseebergbau bieten. Mineralische Rohstoffe aus der Tiefsee sind in den vergangenen Jahren in den Fokus einiger Staaten und Firmen gerückt, um ihre Rohstoffversorgung mit Hightech-Metallen zu sichern. Der Meeresboden zwischen Mexiko und Hawaii gehört zum gemeinsamen Erbe der Menschheit, da er nicht in den Ausschließlichen Wirtschaftszonen von Staaten liegt. Dieses Gebiet wird von der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) in Kingston, Jamaika, verwaltet.

Zurzeit arbeitet die ISA an einem sogenannten Mining Code, der den rechtlichen Rahmen für einen zukünftigen Tiefseebergbau bilden wird. Bestandteil dieses völkerrechtlichen Übereinkommens sind Vorschriften zum Umweltmonitoring und die Festlegung von Umweltstandards für die Tiefsee. Das europäische Verbundprojekt JPI Oceans „Mining Impact widmet sich der Frage, wie der Zustand des Tiefseeökosystems erfasst werden kann, um die Auswirkungen von menschlichen Eingriffen in der Tiefsee bewerten zu können. Im Rahmen des Projekts unternimmt das deutsche Forschungsschiff SONNE unter Fahrtleitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel aktuell eine Expedition in die Clarion-Clipperton-Zone.

Während der insgesamt über 100 Tage dauernden Expedition führen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im deutschen Lizenzgebiet der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und im belgischen Lizenzgebiet der Firma DEME-GSR unabhängige Untersuchungen zum natürlichen Zustand der marinen Umwelt und der dort lebenden Organismen durch. DEME-GSR plant, in diesen beiden Gebieten Komponenten eines Knollenkollektors zu testen und damit einen zukünftigen Abbau zu simulieren.

„Unsere Untersuchungen, die im Vorfeld des Tests stattfinden, ermöglichen uns, den Ist-Zustand des Meeresbodens zu bestimmen und diesen mit dem Zustand nach einem Kollektortest zu vergleichen. Die Arbeiten umfassen neben der Erhebung der Artenvielfalt auch Untersuchungen zu Stoffumsätzen im Ökosystem, insbesondere im Meeresboden, die Vermessung der Geschwindigkeit und Richtung der Bodenströmungen, Experimente zu den Auswirkungen möglicher Schwermetallfreisetzungen, Informationen zum Nahrungsnetz und einiges mehr, erklärt der Projektkoordinator und Fahrtleiter Dr. Matthias Haeckel vom GEOMAR.

Hierzu werden unter anderem mehrere Messgeräte für einige Stunden bis Tage am Meeresboden abgesetzt und der Tauchroboter der GEOMAR ROV Kiel 6000 sowie 60 verschiedene Sensoren zur Vermessung der Bodenströmung und der Trübung der Wassersäule eingesetzt. Außerdem werden mit Kameras die am Meeresboden lebenden Organismen beobachtet.

Das Forscherteam auf der SONNE wird untersuchen, wie verschiedene Arten in der Tiefsee miteinander verbunden sind und wie sich die Zusammensetzung und Menge der Tiefseebewohner in und rund um die Manganknollenfelder räumlich und zeitlich verändert. „Erst wenn wir das verstanden haben, können wir abschätzen, welche Auswirkungen ein großräumiger Eingriff in den Meeresboden haben könnte, sagt Dr. Haeckel.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Erfassung und Untersuchung von Partikelkonzentrationen in einer Sedimentwolke, wie sie beim Tiefseebergbau aufgewirbelt würde. Zurzeit bewegt sich ein großer natürlicher Wasserwirbel mit einem Durchmesser von rund 300 Kilometern, der rund sechs Monate zuvor durch die Passwinde in Zentralamerika entstanden ist, langsam auf die Clarion-Clipperton-Zone zu. Dessen Auswirkungen werden voraussichtlich bis in 4000 Meter Wassertiefe zu sehen sein. „Wir wissen, dass vorbeiziehende Wirbel die Strömungsgeschwindigkeiten am Meeresboden um das Zwei- bis Dreifache erhöhen. So kann die feine Sedimentschicht des Meeresbodens aufgewirbelt und die beim Tiefseebergbau abgelagerten Sedimentpartikel weiter verteilt werden. Bisher konnten wir die Konzentration und Stärke einer Sedimentwolke, die möglicherweise durch so einen Wirbel entsteht, aber nicht direkt beobachten.Dies möchten wir nun mit der Vielzahl verschiedener Sensoren und Geräte versuchen, die wir dabeihaben, sagt Matthias Haeckel.

Das JPIOceans-Projekt „MiningImpact untersucht seit 2015 am Beispiel von Manganknollen-Gebieten im Pazifik, welche ökologischen Folgen Tiefseebergbau hätte und wie man seine Auswirkungen begrenzen könnte. Das Projekt besteht aus zwei Phasen. Im bereits abgeschlossenen ersten Teil konnten grundlegende Erkenntnisse zu den erwarteten, längerfristigen Auswirkungen des Tiefseebergbaus gewonnen werden. Jetzt, in der zweiten Phase wollten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Umweltauswirkungen eines industriellen Gerätetests unabhängig erforschen und umfassend in Echtzeit überwachen. Der weltweit erste, parallel zur derzeit laufenden SONNE-Fahrt geplante Gerätetest zur Aufnahme von Manganknollen in 4000 bis 5000 Metern Wassertiefe musste jedoch wegen technischer Probleme verschoben werden. „Deshalb haben wir unser Arbeitsprogramm umgestellt. Es gibt nach wie vor viele unbeantwortete Fragen zu den Ökosystemen der Tiefsee, so dass wir die Verzögerung gut für weitere grundlegende Untersuchungen nutzen können, betont Dr. Haeckel.