URA – Urban-Rural Assembly: Strategische Werkzeuge für die Stärkung integrierter räumlicher Stadt-Land-Beziehungen und regionaler Wertschöpfungsketten am Beispiel der chinesischen Region Huangyan-Taizhou
Nachhaltige Stadt-Land-Systeme sind die Grundbausteine eines regenerativen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells: In einem inter- und transdisziplinären Forschungsansatz mit Fokus auf Reallabore in China und Deutschland hat URA hierfür strategische Planungswerkzeuge entwickelt.
Selbst in der heutigen Zeit, die längst als „urbanes Zeitalter" proklamiert wurde, lebt fast die Hälfte der Weltbevölkerung weiterhin in Gebieten, die als „ländlich" definiert werden. Diese meist produktiven Landschaften erstrecken sich über große Teile der globalen Landmassen, während die städtischen Siedlungsgebiete nur etwa drei Prozent der Erdoberfläche einnehmen. In der urbanistischen Forschung und Praxis hat das „Land“ jedoch noch nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die es als Lieferant von Nahrungsmitteln, Wasser, Energie, Baumaterialien und anderen essenziellen Ressourcen für die Stadtbewohnerinnen und -bewohner verdient. Gleichzeitig nehmen nicht-städtische Gebiete die diversen Emissionen und Abfallstoffe des städtischen Metabolismus auf.
Um den stadtplanerischen Herausforderungen multipler Krisen, insbesondere des Klimawandels, aus einer holistischen Perspektive zu begegnen, müssen wir uns mit den materiellen und immateriellen Wechselbeziehungen zwischen städtischen und ländlichen Gebieten auseinandersetzen – so die Ausgangsthese des Verbundforschungsprojekts „Urban-Rural Assembly (URA)“. Wir brauchen ein Verständnis der vielfältigen externen und internen Verflechtungen von Regionen, um Planungsvisionen für eine resilientere Zukunft – über Stadt-Land-Grenzen hinweg – entwickeln zu können. Die herkömmliche Stadt- und Regionalplanung orientiert sich allerdings noch immer an bestehenden administrativen Einheiten, die meist städtische und ländliche Gebiete unterscheiden. Mit einem transdisziplinären und transformativen Forschungszugang hat das Projekt URA Strategien und Werkzeuge für eine integrierte Stadt-Land-Planung entwickelt und erprobt: Der „Co-Visioning“-Ansatz für Stadt-Land-Regionen fördert ein systemisches Denken über administrative und sektorale Grenzen hinweg und bezieht lokale Akteure in die Entwicklung regionaler Planungsleitbilder (bzw. ‚Raumbilder‘) ein.
In China lässt sich eine besondere Zuspitzung der Stadt-Land-Problematik beobachten: Hier finden sich nicht nur rasant wachsende Stadtregionen, sondern auch von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängte, stark schrumpfende ländliche Gebiete. Gleichzeitig ist das Land seit zwanzig Jahren Vorreiter in der Erprobung von Planungsstrategien zur Urbanisierung ländlicher Räume. Fallstudie des Forschungsprojekts war die ostchinesische Stadt-Land-Region Huangyan-Taizhou in der Provinz Zhejiang. Sie liegt am südlichen Rand des Yangtze River Deltas, einem hochdynamischen Urbanisierungskorridor, und diente als prototypischer urban-ruraler Lernkontext, in dem verschiedene und scheinbar widersprüchliche Transformationsprozesse stattfinden, die die Beziehungen zwischen Stadt und Umland neu definieren. Das deutsch-chinesische, multidisziplinär zusammengesetzte Projektkonsortium untersuchte hier die translokalen Wechselbeziehungen an der Stadt-Land Schnittstelle in Hinblick auf Landschaftstransformation, ökologischen Wandel, soziale Inklusion und Exklusion, Kreislaufwirtschaft und lokale Ökonomie. Dabei wurden die miteinander verflochtenen sozialen, ökonomischen und ökologischen Risiken dieser Dynamiken und die planungspolitischen Aufgaben identifiziert, aber auch lokale Innovationen identifiziert, die neue Wege zur Nachhaltigkeit aufzeigen können.
Mit dem Co-Visioning-Ansatz, der zunächst in der Region Nordhausen (Thüringen) erprobt wurde, entwickelte das Projekt, aufbauend auf die multidisziplinären Analyseergebnisse, Szenarien für die nachhaltige Transformation der Region Huangyan sowie zweier Vertiefungsräume (Urban-Rural Living Labs). Das entscheidende Ergebnis der Forschung besteht dabei in der Entwicklung der auch auf andere Kontexte übertragbaren Planungsmethode des „Co-Visioning“, die auf Grundlage eines vertieften Verständnisses der Stadt-Land-Beziehungen in partizipativen Multi-Stakeholder-Workshops regionale Zukunftsbilder und Handlungsstrategien für eine nachhaltige Transformation entwirft. Die Projektarbeit war von einem kontinuierlichen Science-Policy-Dialog begleitet, um die Forschungsergebnisse in Politik und Planung zu transferieren. Der Co-Visioning-Ansatz wurde schließlich in einem gemeinsam mit UN-Habitat veröffentlichten Policy Paper sowie einem Kurzfilm erläutert und weitere wichtige Projektergebnisse wurden in einer Abschlusspublikation veröffentlicht.
Projektleitung:
Prof. Dr. Anke Hagemann
Technische Universität Berlin, Fakultät VI Planen Bauen Umwelt, Institut für Architektur, Fachgebiet Internationaler Urbanismus und Entwerfen (Habitat Unit)
Straße des 17. Juni 152, A 53
10623 Berlin
Tel.: +49 30 314 21908
E-Mail: hagemann@tu-berlin.de
Projektpartner:
- Bauhaus Universität Weimar
- Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e.V.
- Tongji Universität Shanghai
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