01.03.2019 30.09.2023
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Der Globale Wandel gefährdet die Stabilitätsgrenzen der Erde – wie wir diese einhalten, erforscht die BMBF-Maßnahme „Kipppunkte, Dynamik und Wechselwirkungen von sozialen und ökologischen Systemen“

Wie können wir Ökosystemleistungen erhalten? Die Leistung des Amazonas-Regenwalds als weltweiter Sauerstoffproduzent und Kohlendioxidspeicher verringert sich beispielsweise deutlich. BMBF fördert die Forschung zu den ursächlichen Wirkungsketten.

Vielen biologischen und gesellschaftlichen Systemen ergeht es wie dem Amazonas-Regenwald: Der Klimawandel und die Übernutzung von Ressourcen bewirken eine Dynamik, die zu einem zunehmenden Verlust von Ökosystemleistungen führt, wie etwa die nachlassende Produktion von Sauerstoff. BMBF fördert die Erforschung der gesellschaftlichen und ökologischen Wirkungsketten, die die Lebensbedingungen der Menschen drastisch verändern.

Forscher:innen auf der ganzen Welt beobachten, dass sich die Ökosystemleistungen der Wälder verringern, dass Meere systematisch überfischt werden und durch den Klimawandel zunehmend versauern. Da weltweit bis zu einer halben Milliarde Menschen vom Fischfang abhängig sind, sind hier komplexe Ursachen, Wirkungen und Gegenmaßnahmen zu erforschen.

Ebenso gefährdet die zunehmende Erosion und überintensive Nutzung von landwirtschaftlichen Böden die langfristige Ernährungssicherung (siehe auch Ausschreibung Nachhaltiges Landmanagement in Subsahara-Afrika). Durch intensive Landwirtschaft werden ehemalige Waldböden zu Ackerflächen, oft übernutzt und zunehmend degradiert.

Kipppunkte sind schwer zu erkennen und nicht mehr umkehrbar

Bei diesen Entwicklungen spielen komplexe Wechselwirkungen eine große Rolle, die sich gegenseitig noch weiter verstärken. Dabei kann es zu abrupten und nur schwer umkehrbaren Zustandswechseln kommen, sogenannten Kipppunkten oder Tipping Points. Diese Kipppunkte führen dazu, dass sowohl lokal als auch global Ökosystemleistungen für den Menschen ausfallen, wie etwa Sauerstoff zu produzieren, Kohlendioxid zu binden oder die Bodenfruchtbarkeit durch Humusbildung zu erneuern. Entsprechend reduzieren sich auch die natürlichen Kapazitäten für die Nahrungsmittelproduktion für den Menschen, es entstehen Gefahren für unsere Gesundheit und das gesellschaftliche Wohlergehen.

Global forschen, lokale Maßnahmen empfehlen: Fördermaßnahme BioTip

Das BMBF nimmt diese Thematik mit einem internationalen und interdisziplinären Forschungsprogramm auf: „Kipppunkte, Dynamik und Wechselwirkungen von sozialen und ökologischen Systemen (kurz: BioTip)" und stellt dafür von 2017 bis 2022 rund 20 Millionen Euro zur Verfügung. Im Rahmen dieses Programms wird weltweit erforscht, wie kritische Schwellen frühzeitig erkannt und somit rechtzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Der Fokus liegt hierbei auf der Leistungsfähigkeit von Ökosystemen sowie auf der Frage, welche sozio-ökonomischen Entwicklungen negative Auswirkungen auf Ökosysteme haben können. Aus dem erarbeiteten Wissen zu den gesellschaftlichen Treibern von Kipppunkten werden schließlich die erforderlichen Handlungsstrategien für mehr Nachhaltigkeit abgeleitet.

Dynamiken für Kipppunkte frühzeitig erkennen und stoppen

Zur Entwicklung von Kipppunkten gibt es noch große Wissenslücken zu schließen, beispielsweise zum Zusammenwirken von menschlichem und wirtschaftlichem Handeln und der speziellen Dynamik von Ökosystemen. Neue Erkenntnisse dazu bilden wichtige Grundlagen, um kritische Entwicklungen rechtzeitig zu erfassen und Vorsorge treffen zu können.

Eine große Herausforderung besteht darin, einen Kipppunkt rechtzeitig zu erkennen. Nicht zuletzt können zeitverzögerte Effekte auftreten, die zur Folge haben, dass Schwellenwerte zu spät als solche identifiziert werden und Kipppunkte schnell überschritten sind.

Entscheidungen, die heute getroffen werden, können unumkehrbare Auswirkungen für die nächsten Jahrzehnte haben, wie zum Beispiel zerstörte Wälder, verloren gegangene Fischgründe. Governance-Fragen können die Entwicklung entscheidend beeinflussen. Ein besseres Verständnis der sozio-ökonomischen Prozesse und Treiber, die auf die ökologischen Systeme einwirken sowie der Wechselwirkungen zwischen ökologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemen, ist eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von wirksamen Handlungsstrategien.

Neue Handlungsstrategien zur Vermeidung von Kipppunkten erforschen

Ein wichtiges Ziel des Förderschwerpunkts BioTip ist die Entwicklung von Handlungsstrategien. Entscheidend ist das Herausarbeiten von sogenannten „Stellschrauben", das heißt von Maßnahmen, die eine Transformation hin zu nachhaltigen Gesellschaften ermöglichen und damit den negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme entgegenwirken. Diese Maßnahmen betreffen im Wesentlichen das lokale Wirtschaften. Dazu wird ein Dialog mit den Menschen benötigt, die die Ökosysteme als direkte Lebensgrundlage nutzen. Die internationalen und nationalen Projekte aus BioTip arbeiten daher eng mit Politik, Wirtschaft und gesellschaftlichen Akteuren vor Ort zusammen, um die entscheidenden Prozesse zu identifizieren und zu initiieren, die die Resilienz unserer Umwelt erhöhen, Zustandswechsel mit negativen Folgen vermeiden und resiliente gesellschaftliche Systeme fördern.

Nach einer Vorbereitungsphase von 2017 bis 2018 haben die Projekte im März 2019 mit der Forschungs- und Entwicklungsphase begonnen.

Die Kick-off Veranstaltung zur Fördermaßnahme hat am 14. und 15. Mai 2019 als Side Event im Anschluss an das 15. BMBF-Forum für Nachhaltigkeit in Berlin stattgefunden.

Projekte der Fördermaßnahme BioTip

Deutschland
marEEshift
Studie historischer ‚Regime-Shifts' (Zustandswechsel) in der südlichen Ostsee, um einen Ökosystemwandel für nachhaltiges Fischereimanagement zu erarbeiten.

SeaUseTip
Zeit-räumliche Analyse von Kipppunkten sozial-ökologischer Systeme der deutschen Nordsee unter Betrachtung verschiedener Management Szenarien.

Kenia, Tanzania, Uganda
MultiTip
Studie der Ursachen eines möglichen irreversiblen Kollapses der Lake Victoria Nilbarsch-Fischerei und Voraussetzungen für eine bessere Akzeptanz und Implementierung von juristischen Regulierungen.

Mongolei
MoreStep
Bestimmung des ökologischen Kipppunktes des weltweit größten, zum großen Teil noch intakten, aber vom Klimawandel bedrohten sozial-ökologischen Steppe-Ökosystems in der Mongolei.

Namibia
NamTip
Desertifikations-Kipppunkte in sozial-ökologischen Trockengebieten verstehen und managen. Die Forschung ensteht hier aus namibischer Perspektive.

Peru, Brasilien, Bolivien
PRODIGY
Interdisziplinäre Erforschung einer möglichen biodiversitätsabhängigen Kaskade von ökosystemaren, klimatischen und gesellschaftlichen Kippelementen im Amazonasgebiet.

Peru, Ecuador
Humboldt-Tipping
Beurteilung des Risikos verringerter Produktivität eines marinen Ökosystems innerhalb des Humboldt-Strom-Auftriebssystems vor der Westküste Perus.

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