Ein Landwirt und seine Forschungs-Bäume

Bäume gehören zum Geschäftsmodell von Thomas Domin. Der Landwirt besitzt 30 Hektar Wald, im Winter verkauft sein Hofladen heimische Kiefern als Weihnachtsbäume. Bäume wachsen auch direkt auf seinen Feldern – im Dienst der Forschung.

Thomas Domin nennt sich gern einen modernen Landwirt. Er bewirtschaftet einen Betrieb mit Schweinen, Rindern, Gänsen, Enten und Hühnern. Fleisch, Eier und Milch verkauft er im eigenen Hofladen. Auf 300 Hektar baut er Getreide und Futter für seine Tiere an, mit Solaranlagen und einem Biomassewerk erzeugt er erneuerbare Energie. Sein Betrieb im brandenburgischen Peickwitz lädt zu Festen, Landpartien und Unterrichtsstunden.

Thomas Domin ist zudem ein Landwirt, der nachhaltig wirtschaftet: Der Boden sei sein Hauptproduktionsmittel, sagt er. Also müsse er dafür sorgen, dass er erhalten bleibt und guten Ertrag bringt. Seit drei Jahren ist Thomas Domin deshalb Partner in einem Forschungsprojekt zum  nachhaltigen Landmanagement. Auf seinen Feldern wachsen Pappeln, Robinien, Erlen und Weiden. In bis zu zehn Meter breiten Streifen durchziehen die Gehölze Acker und Grünland und säumen ihre Ränder.

Landwirtschaft und Holzanbau auf einer Fläche

Die Baumreihen im Feld dienen einem doppelten Zweck: Sie bringen Mehrwert für Boden und Umwelt und liefern Holz für die Energieerzeugung. „Wir werten das Land auf“, sagt Thomas Domin. „Aufwerten“ heißt auch das Forschungsprojekt, an dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Technischen Universität Cottbus-Senftenberg gemeinsam mit dem Landwirt und weiteren Partnern arbeiten. Es kombiniert Landwirtschaft mit Holzanbau zur Agroforstwirtschaft. Das Bundesforschungsministerium fördert „Aufwerten“ als Pilotvorhaben nachhaltigen Landmanagements im Rahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“.

Forstwissenschaftler Christian Böhm, der Koordinator des Projekts, forscht an der Cottbuser Universität seit rund zehn Jahren zu Agroforst. Eine „alte Landnutzung neu denken“, nennt er seine wissenschaftliche Arbeit. Baum- oder auch Strauch-Streifen in der Landwirtschaft sind seit altersher bekannt, werden heute indes nur selten praktiziert. „Aufwerten“ will Agroforst für moderne Landwirtschaft praktikabel und wirtschaftlich attraktiv machen. Böhm listet die Vorteile auf: Neben dem Schutz des Bodens vor Erosion gehört dazu auch erhöhte Bodenfruchtbarkeit. Durch die Verdunstungsleistung der Bäume verbessert sich das Mikroklima auf dem Feld. Die Gehölzstreifen dienen der Artenvielfalt, weil sich Insekten, Vögel und andere Tiere ansiedeln können. Die Bäume reduzieren Schadstoffe und schützen damit das Grundwasser. Und nicht zuletzt: Agroforst verspricht zusätzliche Einnahmen aus dem Erlös des Holzes.

Interdisziplinäres Team

Am Ende des fünfjährigen Forschungsprojektes soll ein Konzept detailliert aufzeigen, wie sich Agroforstwirtschaft in unterschiedlichen Formen realisieren lässt. Damit dies gelingt, arbeitet das Forschungsteam von „Aufwerten“ interdisziplinär. Sechs Institute und Einrichtungen sind beteiligt. Neben dem Forstwissenschaftler und dem Landwirt arbeiten auch Landschaftsmanager, Bioökonomen sowie Vertreter einer Gemeinde und eines Vereins, der das Holz verwerten will, an dem Projekt. Ein Kompetenzzentrum Agroforstwirtschaft soll als bundesweite Anlaufstelle entstehen.

Seit Beginn der Forschungsarbeiten wachsen nicht nur die Bäume auf den Versuchsfeldern in Peickwitz. Auch ein Agroforst-Rechner ist entstanden, mit dem Landwirte den Kosten-Nutzen-Effekt berechnen können. Zudem haben die Forschungspartner eine spezielle Erntetechnik für das Holz entwickelt.

Seinen landwirtschaftlichen Partner Thomas Domin fand Projektkoordinator Christian Böhm per Internet-Recherche. Den Peickwitzer überzeugten die Gründe für ein Agroforstsystem schnell. Dass zu den Forschungen auch Theorie gehört, war für Thomas Domin, der seit 20 Jahren als Landwirt arbeitet, anfangs ungewohnt. „Ich bin eben ein Mensch der Praxis.“

Rund fünf Hektar seines Landes sind mit Pappeln, Robinien, Weiden und Erlen bepflanzt – sie schützen ein Drittel der Gesamtfläche. Auf weit über drei Meter Höhe sind die Stämme bereits angewachsen. Die dritte Getreideernte unter Baumschutz hat Domin inzwischen eingefahren. Bemerkbar machte sich der nachhaltige Baum-Effekt ab dem zweiten Jahr und bestätigte die Erkenntnisse der Agroforst-Forschung. Deutlich weniger Wind blies über die Felder, teilweise war der Ertrag bei der Haferernte höher als ohne Baumbestand. Regelmäßige Messungen und Untersuchungen sollen für belastbare Ergebnisse sorgen.

Wie das Getreide brauchen auch die Bäume Pflege, müssen von Gräsern und anderen Pflanzen regelmäßig befreit werden. Domin hat sich dafür ein spezielles Gerät gebaut. Seit kurzem sorgen auch seine Hühner für die Baumpflege. Die unerwünschten Samen und Pflanzen dienen ihnen als Futter.

Die erste Holzernte steht an

Ein moderner Landwirt ist für nachhaltige Forschung auch als Multiplikator unterwegs. Thomas Domin und die Projektpartner sind deutschlandweit auf Informationsveranstaltungen und Fachtagungen und präsentierten Agroforst unter anderem auf der Weltausstellung Expo 2015 in Mailand. Auch das war für den Mann der Praxis zunächst ungewohnt. Inzwischen sei er in Diskussionsrunden routiniert und eine gute Ergänzung zum Wissenschaftler Christian Böhm, sagt Domin, weil er „die Sprache der Landwirte spricht.“

In etwa einem Jahr sollen die Baumstreifen auf den Feldern in Peickwitz erstmals geerntet werden. Zunächst will Domin das Holz verkaufen. Mittelfristig plant er ein eigenes kleines Kraftwerk, in dem er aus den Bäumen von seinem Acker sauberen Strom und saubere Wärme erzeugt. Und auch eine weitere neue nachhaltige Einnahmequelle steht seit kurzem auf einem Versuchsstreifen am Feld: Obstbäume und -sträucher, die das Getreide schützen und deren Früchte und Beeren im Hofladen verkauft werden sollen.