Bundesregierung verabschiedet Wasserstoffstrategie

Die Bundesregierung hat die Nationale Wasserstoffstrategie beschlossen. Was steht drin? Und welche Forschungsprojekte zum Thema Wasserstoff laufen bereits heute?

Grüner Wasserstoff ist zentral für das Erreichen der Pariser Klimaschutz-Ziele: Mit seiner Hilfe ist es möglich, Deutschlands größten Treibhausgas-Verursachern eine klimafreundliche Option zu bieten und gleichzeitig den Technologiestandort Deutschland zu stärken. Wasserstoff soll so auf Dauer die fossilen Energieträger verdrängen. Heute wird Wasserstoff überwiegend in der Grundstoffchemie und Petrochemie benötigt. Ein Problem: Bei der herkömmlichen Dampfreformierung fallen rund 10 Tonnen CO2 pro erzeugter Tonne Wasserstoff an.

Das Zukunftspaket des Koalitionsausschusses vom 3. Juni 2020 sieht für den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien in Deutschland zusätzliche Mittel in Höhe von 7 Mrd. Euro und weitere 2 Mrd. Euro für internationale Partnerschaften vor.

Grüner, blauer und türkiser Wasserstoff im Fokus

Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) will die Bundesregierung klimaneutralen Wasserstoff nun schrittweise wettbewerbsfähig machen. Die Strategie soll den Aufbau eines Heimatmarktes ermöglichen, Importen den Weg ebnen und massive Investitionen und Innovationen zur Folge haben. Dabei bevorzugt die Strategie ausdrücklich Grünen Wasserstoff, der mittels der Elektrolyse aus erneuerbarem Strom produziert wird. Aus Sonne, Wind und Wasser werden so beinahe unbegrenzte Mengen an Wasserstoff. Übergangsweise wird jedoch auch dem, bilanziell CO2-freien, blauen und türkisen Wasserstoff eine Bedeutung zugesprochen.

Wichtigste Abnehmer von Grünem Wasserstoff werden die Industrie und der Verkehrssektor sein – überall dort, wo Emissionen auch langfristig nur schwer, oder unter unverhältnismäßig hohen Vermeidungskosten, zu realisieren sein werden.

Je seinem nach Ursprung wird Wasserstoff unterschiedlich bezeichnet – dazu verwendet man im Sprachgebrauch Farben für das in der Realität farblose Gas. Hier ein Überblick:

  • Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen. In der Regel wird bei der Herstellung Erdgas unter Hitze in Wasserstoff und CO2 gespalten. Das CO2 wird anschließend ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben und verstärkt so den globalen Treibhauseffekt: Bei der Produktion einer Tonne Wasserstoff entstehen rund 10 Tonnen CO2.
  • Blauer Wasserstoff ist grauer Wasserstoff, dessen CO2 bei der Entstehung jedoch abgeschieden und gespeichert wird (Englisch: Carbon Capture and Storage, CCS). Das bei der Wasserstoffproduktion erzeugte CO2 gelangt so nicht in die Atmosphäre und die Wasserstoffproduktion kann bilanziell als CO2-neutral betrachtet werden.
  • Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, wobei für die Elektrolyse ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt. Unabhängig von der gewählten Elektrolysetechnologie erfolgt die Produktion von Wasserstoff CO2-frei, da der eingesetzte Strom zu 100% aus erneuerbaren Quellen stammt und damit CO2-frei ist.
  • Türkiser Wasserstoff ist Wasserstoff, der über die thermische Spaltung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt wurde. Anstelle von CO2 entsteht dabei fester Kohlenstoff. Voraussetzungen für die CO2-Neutralität des Verfahrens sind die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren Energiequellen, sowie die dauerhafte Bindung des Kohlenstoffs.

5 GW Elektrolyseleistung bis 2030 - 10 GW bis 2040

Die Bundesregierung erwartet bis 2030 einen Wasserstoffbedarf von 90 bis 110 TWh. Ziel ist es deshalb 5 GW Elektrolyseleistung einschließlich der dafür erforderlichen Offshore- und Onshore-Energieerzeugung bis 2030 zu realisieren. Das entspräche einer grünen Wasserstoffproduktion von bis zu 14 TWh. Dazu sind laut Bundesregierung bis zu 20 TWh Grünstrom erforderlich. Zum Vergleich: 2018 wurde rund ein Viertel dieser Strommenge aus Erneuerbaren Energien, nämlich 5,4 TWh, abgeregelt. Weitere Elektrolyseleistung von bis zu 5 GW sind bis 2035, spätestens jedoch bis 2040, angedacht.

Der Großteil des Wasserstoffbedarfs muss in Zukunft aus dem Ausland importiert werden – ein Grund, warum die Bundesregierung in der NWS stark auf die Zusammenarbeit mit Partnerländern setzt. So auch im zeitgleich mit der Wasserstoffstrategie gestarteten BMBF-Projekt H2Atlas-Africa, das Standorte im Westen und Süden des Kontinents ermitteln wird, die sich besonders für die Produktion von Wasserstoff mithilfe erneuerbarer Energien eignen.

Aktionsplan stellt Weichen für Markthochlauf

Von besonderem Interesse ist der Aktionsplan, den die Bundesregierung gemeinsam mit der Wasserstoffstrategie verabschiedet hat. Er umfasst insgesamt 38 Maßnahmen, die insbesondere auf die erste Phase des Markthochlaufs bis 2023 ausgerichtet sind. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören:

  • die ambitionierte Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II)
  • die Förderung von Elektrolyseuren,
  • eine Forschungsoffensive „Wasserstofftechnologien 2030",
  • Investitions- und Betriebskostenzuschüsse für die Produktion von Wasserstoff,
  • eine Stärkung bzw. Weiterentwicklung der notwendigen Infrastrukturen,
  • eine Prüfung staatlich induzierter Preisbestandteile im Energiebereich,
  • ein verstärkter Aufbau internationaler Partnerschaften zum Thema Wasserstoff.

Der Stand der Umsetzung wird von einem neu gegründeten Staatssekretärsausschuss für Wasserstoff der betroffenen Ressorts überwacht. Er wird von einem Nationalen Wasserstoffrat mit hochrangigen Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft begleitet und beraten und um einen Innovationsbeauftragten "Grüner Wasserstoff" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ergänzt. Nach drei Jahren wird die Strategie erstmals evaluiert.

Alle weiteren Details sind in der Nationalen Wasserstoffstrategie hier zu finden.

Das Kopernikus-Projekt P2X: Deutschlands bislang umfassendstes Wasserstoff-Forschungsprojekt

Die Kopernikus-Projekte P2X, ENSURE und SynErgie bilden eine der größten Forschungsinitiativen der Bundesregierung zum Thema Energiewende. Der Fokus liegt dabei auch auf Grünem Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. Insbesondere das Kopernikus-Projekt P2X erforscht die Erzeugung, den Transport und die Nutzung von Grünem Wasserstoff. In der zweiten Förderphase (2019-2022) will das Projekt-Team nun hinsichtlich der folgenden Fragen den Durchbruch schaffen:

  • Wie kann aus erneuerbarem Strom möglichst effizient Grüner Wasserstoff gewonnen werden?
  • Wie kann Grüner Wasserstoff möglichst effizient gespeichert und transportiert werden?
  • Wie kann Grüner Wasserstoff als Rohstoff für die Chemie- und Kosmetik-Industrie dienen?
  • Wie kann Grüner Wasserstoff genutzt werden, um Brennöfen der Industrie zu betreiben?
  • Wie könnten kosteneffiziente Wasserstofftankstellen aussehen?
  • Wie kann Grüner Wasserstoff für die Produktion klimafreundlicher Kraftstoffe für Autos und Flugzeuge eingesetzt werden?

Das Kopernikus-Projekt ENSURE untersucht zudem, wie Wasserstoff in die Energieversorgung der Zukunft integriert wird; das Kopernikus-Projekt SynErgie, welche Rolle Wasserstoff bei flexiblen Industrieprozessen spielt.

In allen Kopernikus-Projekten arbeiten insgesamt rund 200 Partner aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eng zusammen, um gemeinsam praxistaugliche Lösungen für die Energiewende zu entwickeln. Die Projekte sind so konzipiert, dass die entwickelten Innovationen anschließend umgehend in die praktische Umsetzung übergehen können.

Power-to-X: Interaktive Datenbank zeigt laufende Projekte und Industrieanlagen

Mehr als 60 Forschungsprojekte und über 30 Industrieanlagen – die Forschung an Power-to-X-Technologien in Deutschland läuft auf Hochtouren. Auch in der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung werden Power-to-X-Technologien eine wichtige Rolle zum Erreichen der Klimaziele einnehmen. Wo stehen Versuchsanlagen? Welche Forschungseinrichtungen und Unternehmen entwickeln Lösungen? Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Kopernikus-Projekt P2X gibt einen umfassenden Überblick über die deutsche Power-to-X-Landschaft.

Power-to-X-Projekte: https://www.kopernikus-projekte.de/ptx_projekte
Power-to-X-Industrieanlagen: https://www.kopernikus-projekte.de/ptx_anlagen

Weitere Forschungsprojekte zum Thema Wasserstoff

Neben den Kopernikus-Projekten fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung bereits heute rund 25 weitere Forschungsprojekte mit Bezug zum Thema Grüner Wasserstoff. Die wichtigsten Projekte im Überblick:

Das Projekt Carbon2Chem will die im Stahlwerk von ThyssenKrupp anfallenden Abgase (sogenannte Hüttengase) als Rohstoff nutzen – statt sie klimaschädlich in die Atmosphäre entweichen zu lassen. Dazu nutzt es einerseits den Wasserstoff, der Teil der Abgase ist – und erzeugt andererseits zusätzlich Grünen Wasserstoff durch eine eigene 2MW-Elektrolyse. Der Wasserstoff wird benötigt, um aus den Abgasen schlussendlich Dünger, Kunststoffe und synthetische Kraftstoffe herzustellen.

Die Machbarkeitsstudie MACOR untersucht am Beispiel des Stahlwerks in Salzgitter, wie und ob eine umweltfreundlichere Stahlproduktion möglich ist, indem Grüner Wasserstoff statt Kohle zum Heizen benutzt wird.

Auch das Projekt Rheticus untersucht, wie sich CO2 als Rohstoff nutzen lässt – statt ihn klimaschädlich in die Atmosphäre entweichen zu lassen. Dazu stellt es aus CO2, Wasser und erneuerbarer Energie zunächst ein Gemisch aus Grünem Wasserstoff und Kohlenmonoxid (Synthesegas) her, das Bakterien dann in Hexanol umsetzen. Das Hexanol kann anschließend zur Erzeugung von Kunststoffen, Nahrungsergänzungsmitteln und Kraftstoffen genutzt werden.

Das Projekt NAMOSYN widmet sich der Analyse und Beurteilung von synthetischen Kraftstoffen – unter anderem hergestellt mithilfe von Grünem Wasserstoff.

Die deutsch-französischen Projekte BRIDGE und LivingH2 untersuchen, wie die Wasserstoff-Brennstoffzelle verbessert und eine komplette Haus-Energieversorgung mit Wasserstoff aussehen könnte.

Das Projektkonsortium HYPOS im Programm Zwanzig20 hat das Ziel, die wirtschaftliche Erzeugung von Wasserstoff via Wasserelektrolyse in großtechnischem Maße voranzutreiben. Dabei wird die umfassende Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien adressiert, um künftig insbesondere auch temporäre Stromüberschüsse sinnvoll nutzen zu können. HYPOS beforscht verschiedene Bereiche entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette, und bearbeitet somit in verschiedenen Verbundprojekten u.a. die Themenfelder der chemischen Umwandlung von Strom, Transport und Speicherung sowie Verwertung und Vertrieb von Wasserstoff.

Im Verbundvorhaben LocalHy innerhalb des Konsortiums HYPOS beforschen sieben Partner aus Südthüringen das Thema dezentrale Wasserstoffanwendungen im urbanen Umfeld. Im Vorhaben wird überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien in Wasserstoff und Sauerstoff umgewandelt. Während der Wasserstoff zur Betankung von Brennstoffzellenfahrzeugen genutzt wird und so emissionsfreie Mobilität ermöglicht, verbessert der Sauerstoff die Reinigungsleistung einer kommunalen Kläranlage. Wasserstoff und Sauerstoff werden schließlich gemeinsam im weltweit ersten, emissionsfreien Wasserstoff-Sauerstoff-Kreislaufmotor schadstofffrei und klimaneutral rückverstromt.

Im Verbundvorhaben H2-Netz innerhalb des Konsortiums HYPOS arbeiten Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft daran, ein innovatives Verteilnetzkonzept zur Versorgung von Verbrauchern mit Wasserstoff zu entwickeln. Im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen wurde im Rahmen des Vorhabens das Versuchsfeld „H2-Netz" aufgebaut, auf dem die Verteilung von Wasserstoff bis hin zum Anschluss an Privathaushalte simuliert wird. Hier werden technische, wirtschaftliche und ökologische Fragen rund um die Verteilung und der Verwendung des Energieträgers Wasserstoff untersucht. Im Rahmen von Tagen der offenen Tür laden die Partner derzeit (März – Dezember 2020) interessiertes Fachpublikum auf das Versuchsfeld ein.

Im Projekt DEPECOR werden nachhaltige Kraftstoffe aus Wasser, CO2 und Sonnenlicht hergestellt. Dieser als künstliche Photosynthese bezeichnete Prozess könnte in Zukunft die Energie- und Rohstoffversorgung revolutionieren. Die Erzeugung von grünem Wasserstoff durch photokatalytische Wasserspaltung ist dabei der erste wichtige Schritt. Der Forschungsverbund unter der Leitung von Prof. Thomas Hannappel ist mit Projektstart am 01.02.2020 in die nächste Phase gegangen. Innerhalb der nächsten drei Jahre soll ein Prototyp für die Künstliche Photosynthese entwickelt werden. Die Forscher wollen damit eine Spitzenposition erreichen. Deshalb arbeitet das DEPECOR-Projekt eng mit dem weltweit führenden Joint Center for Artificial Photosynthesis in Kalifornien (USA) zusammen.

Das Projekt BioUGS will die Grundlagen der biologischen Methansynthese in unterirdischen Erdgasspeichern erforschen. Mit der Umwandlung von Wasserstoff und CO2 zu Methan durch Mikroorganismen können unvermeidbare industrielle CO2-Emissionen zur klimaneutralen Herstellung von Erdgas genutzt werden. Wenn die Entwicklung dieses Prozesses gelingt, kann der existierenden Erdgasinfrastruktur in Zukunft eine entscheidende Rolle bei der Speicherung von grünem Wasserstoff zukommen. Das Projekt wird zum 01.02.2020 an den Start gehen.

Das Projekt BioDME wird den Energiegehalt von industriellem Abwasser mit hoher organischer Belastung nutzen, um daraus mit Hilfe einer mikrobiellen Elektrolysezelle grünen Wasserstoff zu erzeugen. In einer zweiten Stufe wird dieser Wasserstoff zur Synthese von Dimethylether (DME) genutzt. DME hat einen hohen Marktwert. Es kann als Treibstoff verwendet oder als Basis-Chemikalie in weitere Veredelungs- und Syntheseprozesse eingespeist werden. Ziel des Projektes ist der Bau einer Pilotanlage, die mit Abwasser der Brauerei Becks aus Bremen betrieben wird.