Mut zum Aufbruch: Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Wissenschaftssystem BMBF-Symposium zur Initiative „Nachhaltigkeit in der Wissenschaft" im Juni 2023 in Berlin

Am 6. und 7. Juni 2023 fand das BMBF-Symposium „Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Hochschul- und Wissenschaftssystem" im Umweltforum Berlin statt. Ausgerichtet wurde es in Zusammenarbeit mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Über 280 Expertinnen und Experten, Interessierte und Engagierte diskutierten über Gelingensbedingungen für eine nachhaltige Transformation des Wissenschaftssystems. Die große Bedeutung des Themas wurde durch das gemeinsame Begrüßungsgespräch zwischen dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Jens Brandenburg und Prof. Dr. Dorit Schumann, Präsidentin der Uni Trier und Vizepräsidentin für Transfer, Nachhaltigkeit und Gleichstellung der HRK, unterstrichen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützte mit dem Symposium nicht nur den Wissenstransfer, sondern lud ein, Impulse für die Weiterentwicklung der seit 2013 bestehenden Initiative „Nachhaltigkeit in der Wissenschaft" zu geben.

Zentrale Themen des 6. BMBF-Symposium „Nachhaltigkeit in der Wissenschaft" waren Klimagerechtigkeit, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Finanzierungsmöglichkeiten für die Sanierung von Gebäuden und Partizipation verschiedener Akteursgruppen für die Verankerung von Nachhaltigkeit im Wissenschaftssystem. Engagement und Motivation für die Stärkung einer nachhaltigen Entwicklung waren in allen Beiträgen zu spüren – im Eröffnungsgespräch, in den Keynotes und Publikumsfragen, auf dem Panel, beim Austausch zu Projekten auf dem „Marktplatz", in thematischen Workshops und im informellen Austausch. Deutlich wurde: Erfolgreiche Maßnahmen für Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele gelingen, wenn wissenschaftliche Einrichtungen – Hochschulen wie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen gleichermaßen – nicht nur in Forschung, sondern auch in Lehre, Betrieb, Governance und Transfer Nachhaltigkeit verankern. Die Teilnahme von verschiedenen Statusgruppen, wie Präsidiumsmitglieder, Studierende, Nachhaltigkeitsbeauftragte, Mitarbeitende aus der Verwaltung und wissenschaftliches Personal zeigte, dass wissenschaftliche Institutionen die Aufgabe einer gesamtinstitutionellen Verankerung von Nachhaltigkeit mit Engagement annehmen, auch wenn noch ein gutes Stück des Weges vor ihnen liegt (s. Graphik unten).

#SISI2023 - Das Mutmacher-Symposium

Das Umweltforum in Berlin ist ein umweltfreundlicher Veranstaltungsort und eröffnete für die Community Räume für Begegnungen, Impulse und inhaltliche Diskussionen. Armin Himmelrath moderierte an beiden Konferenztagen. Zum Auftakt hatte Prof. Dr. Geraldine Rauch zum sofortigen Handeln ermuntert – viele weitere Beiträge unterstrichen die Relevanz und vor allem die Dringlichkeit, die das Thema Klimaneutralität und Nachhaltigkeit im Wissenschaftssystem hat.

Gelingende Kooperation – BMBF und HRK eröffneten das Symposium

Welche Bedeutung hat die BMBF-Initiative und welche Rolle nimmt die Hochschulrektorenkonferenz dabei ein? Im Gespräch erläuterten der Parlamentarische Staatssekretär bei der Ministerin für Bildung und Forschung, Dr. Jens Brandenburg, und die Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Dr. Dorit Schumann, ihre Perspektiven. Jens Brandenburg lobte die vielfältigen innovativen Lösungsansätze, die seit 2013 in Forschungs- und Entwicklungsprojekten mit Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in der BMBF-Initiative entwickelt werden. Er hob hervor, dass es für ein nachhaltiges Wissenschaftssystem entscheidend ist, auf Maßnahmen zu fokussieren, die nicht nur kurzfristig Sichtbarkeit erzeugen, sondern die transformativ wirken und dauerhaft einen echten Unterschied machen.

Prof. Dr. Dorit Schuman wies auf die von der HRK seit einigen Jahren eingeforderte Entwicklung einer Kultur der Nachhaltigkeit an deutschen Hochschulen hin. Sie seien Zukunftswerkstätten der Gesellschaft, die innovative Ideen und Praktiken hervorbringen und so der Gesellschaft kulturelle Angebote machen. Darüber hinaus benannte die Vize-Präsidentin die großen Herausforderungen und Erwartungen, die mit der aktuellen BMBF-Fördermaßnahme „Transformationspfade für nachhaltige Hochschulen" verknüpft sind. Die Hochschulrektorenkonferenz selbst betreut das zentrale Begleitvorhaben, das die verschiedenen Erkenntnisse der bald 11 Verbundprojekte analysiert, bündelt, synthetisiert und aufbereitet, um Nachhaltigkeit im Hochschulsystem zu verankern.

Von der Dringlichkeit und dem ganz normalen Wahnsinn – Wenn eine Universität klimaneutral werden will

Prof. Dr. Geraldine Rauch nahm als Präsidentin der TU Berlin die Teilnehmenden mit in die Welt einer großen deutschen Universität und ihren speziellen Herausforderungen: historische Gebäude, oftmals noch starre Strukturen, begrenzte Ressourcen und eine große und heterogene Belegschaft und Studierendenschaft.
Geraldine Rauch zeichnete ein kritisches Bild vom Status quo. Mit vielen der derzeitigen rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen rückt das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 in weite Ferne. An konkreten Beispielen verdeutlichte sie die Zielkonflikte: So lässt der Denkmalschutz eine Nutzung der Dachflächen mit Photovoltaik oftmals nicht zu. Das zeige, dass dringend Klarheit über Prioritäten gewonnen werden müsse. Sie appellierte eindringlich, dass Taten notwendig seien. Erste Schritte. Maßnahmen. Jetzt! Mit ihrer Keynote versprühte sie so trotz der im Universitätsalltag oft unüberwindbar erscheinenden Hürden, die auf dem Weg Richtung Nachhaltigkeit zu meistern sind, eine große Tatkraft und Bereitschaft und ermunterte das Publikum ins Handeln zu kommen – und voneinander zu lernen.

Verantwortung und Eingeständnis – Wir hätten vorgestern schon an gestern denken sollen

In der zweiten Keynote zeichnete Prof. Dr. Barbara Sturm vom Leibniz Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) ein ähnliches Bild von der Dringlichkeit wie ihre Vorrednerin. Zugleich berge jede Krise auch eine Chance: Der Krieg in Europa und die Energiekrise hätten beispielsweise dazu geführt, dass „energieeffizientes Bauen und Sanieren" nun auf der Agenda stehe. Als Vizepräsidentin der Leibniz-Gemeinschaft mit einer Vielzahl an Institutionen machte sie deutlich, dass sich außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in ihren Transformationspfaden von den Hochschulen unterscheiden. Die Unterschiede fangen bereits bei den bloßen juristischen Fundamenten an: So sind Forschungsinstitute und -zentren unterschiedlich organisationsrechtlich aufgestellt. Was ein eingetragener Verein für die Etablierung von Programmen zum Energiemonitoring braucht, weicht stark davon ab, wie eine GmbH diese Herausforderung angehen muss. Die Unterschiede werden noch deutlicher, wenn nach Eigentumsverhältnissen, Bundesland und der fachlichen Ausrichtung der Organisationen gefragt wird. Folglich brauche es organisationsspezifische, an die Herausforderungen von außeruniversitären Forschungsinstitutionen angepasste Konzepte fürs Nachhaltigkeitsmanagement.

„Marktplatz"-Geschehen: mit Neugierde und Offenheit voneinander lernen

Zum Netzwerken, Kennenlernen und Austauschen diente der „Marktplatz". Auf beiden Etagen des Umweltforums standen Projektleitende der BMBF-Initiative „Nachhaltigkeit in der Wissenschaft" sowie Koordinatorinnen und Koordinatoren von Netzwerken an ihren Postern und Bildschirmen Rede und Antwort. Dies bot ausreichend Gelegenheit für alle Teilnehmenden, sich inspirieren zu lassen und selbst eigene Ideen, Gedanken und Fragen in den Prozess einzubringen und neue Kontakte zu knüpfen. Die Community nahm das Angebot auf und erfüllte den Raum mit viel Leben – wie auf einem richtigen Marktplatz. Im Angebot: Viele mögliche Lösungsansätze, wie die verschiedenen Forschungsverbünde und Netzwerke den Problemen und Herausforderungen bei der Verankerung von Nachhaltigkeit im Wissenschaftssystem begegnen wollen. Deutlich wurde, dass Bottom-up-Initiativen genauso wichtig sind wie Top-down-Ansätze. Netzwerke sind daher wichtige Partner für das Bundesministerium für Bildung und Forschung, um Nachhaltigkeit langfristig im Wissenschaftssystem und darüber hinaus zu verankern. Die Marktbesucher brachten Neugierde und Offenheit mit, voneinander zu lernen. Ein Spirit, der die gesamte Fachtagung erfüllte.
Das Poster-Booklet des diesjährigen Symposiums können Sie hier auf dem "Marktplatz" einsehen.

Kontroverse im Panel über den einzuschlagenden Weg und nächste Schritte

Statements aus verschiedenen Perspektiven – im Panel ging es kontrovers zu, wenngleich alle dasselbe Ziel eint: Mehr Nachhaltigkeit in der Wissenschaft. In der Paneldiskussion kamen verschiedene Ansichten, Erfahrungen, Knowhow und Sprachstile zutage. Verschiedene Sichtweisen der unterschiedlichen Statusgruppen wurden eingebracht, ebenso die Rahmenbedingungen von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen beleuchtet. Im Raum stand die zentrale Frage: Wie können Brücken gebaut werden? Auch das Publikum brachte sich ein: Moderator Armin Himmelrath lud die Teilnehmenden ein, Begriffe zu nennen, die ihnen diskussionswürdig erschienen. Die Visualisierung der Ergebnisse zeigte, dass folgende Themen besonders interessierten: Klimagerechtigkeit, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), Partizipation, Finanzierung und Kommunikation.

Kira Bartsch vom studentischen netzwerk n kennt das Potential studentischen Engagements und brachte auch genau diese Energie auf die Bühne, doch sie weiß auch um die Grenzen. So sieht sie vor allem die Professorinnen und Professoren als Multiplikator*innen für eine Nachhaltigkeitstransformation an Hochschulen in der Pflicht.

Prof. Dr. Benjamin Nölting von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde, die Nachhaltigkeit in besonderer Weise in den Fokus rückt, betonte die Wechselseitigkeit der Lern- und Innovationsprozesse. So laufe der Wissenstransfer in zwei Richtungen: Aus der Hochschule in die Region und zurück. Die Einbindung der Praxis ist daher ein Herzstück für das Gelingen der Nachhaltigkeitstransformation und für einen gesellschaftlichen Wandel.

Eva Schäfer, die Nachhaltigkeitsmaßnahmen an der Hochschule Darmstadt koordiniert und in der DG HochN die zweite Stellvertretende Vorsitzende ist, vermisste die Vorbildfunktion und das Verantwortungsbewusstsein bei vielen Akteurinnen und Akteuren. Das fängt im Kleinen an, bei der Essensauswahl in der Mensa und hört im historischen Kontext auf, indem wir der jungen Generation die Klimakrise zumuten, durch unser Handeln in der Vergangenheit und Verschärfen durch das Nichthandeln im Hier und Jetzt.

Prof. Dr. Sascha Spoun ist Präsident der Leuphana Universität Lüneburg, einer Hochschule, die Vorreiter bei der Implementierung von Nachhaltigkeit ist. Er wies darauf hin, dass es für die Transformation von Hochschulen alle Statusgruppen braucht und dass verschiedene Transformationsprozesse in unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablaufen. Diese Ungleichzeitigkeiten und -fristigkeiten dürfen nicht entmutigen. Dafür ist es wichtig, den Wandel zu Nachhaltigkeit stets in seiner Gesamtheit zu betrachten.

Dr. Fabian Trinkel von der Helmholtz Gemeinschaft brachte als Koordinator für Nachhaltigkeit in der Helmholtz-Gemeinschaft die außeruniversitäre Perspektive mit ein. Er machte deutlich, dass die Implementierung von Nachhaltigkeitsmanagement in die eigene Organisation zentral ist.

Thematische Workshops intensivieren den Austausch und geben Impulse für die BMBF-Initiative „Nachhaltigkeit in der Wissenschaft"

Am zweiten Tag fanden acht thematische Workshops statt, in denen ausgelotet wurde, welche Themen zentral sind, welche Ansätze weiter verfolgt werden sollten und welche möglichen Allianzen geschmiedet werden könnten. In intensiven Diskussionen wurde unter anderem herausgearbeitet, dass

  • es sowohl Top-down als auch Bottom-up-Strukturen braucht, um eine Kultur der Nachhaltigkeit an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu etablieren,
  • Change Agents nicht immer Studierende sein müssen, sondern auch weitere Mitarbeitende im Wissenschaftssystem für die Verankerung von Nachhaltigkeit aktiviert werden müssen,
  • für eine effektive Nachhaltigkeitsberichterstattung und ein Nachhaltigkeitsaudit die vielfältigen, oft konkurrierenden Berichts- und Ranking-Tools homogenisiert werden müssen,
  • die Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlichen Organisationen und Akteuren aus Stadt und Region für den bidirektionalen Transfer von Wissen und Impulsen wichtig für die Nachhaltigkeitstransformation ist,
  • Kooperationen statt Konkurrenz maßgeblich für eine gelingende Nachhaltigkeitstransformation ist. Dafür bedarf es auch einer Stärkung der Kommunikation und der Vernetzung sowie der Schaffung von weiteren Austauschräumen zwischen verschiedenen Akteursgruppen (z.B. auch zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen),
  • „weiche" Wirkungen wie Lernprozesse und Netzwerkbildung Voraussetzungen für weitergehende Wirkungen sind. Ebenso, dass Wirkungsorientierung in der Forschung ein mögliches zukünftiges Förderkriterium darstellen kann.

Eine zusammenfassende Dokumentation zu den Workshops ist hier einsehbar.

Eine ausführliche Dokumentation zu den Workshop-Inhalten mit den Ergebnissen auf den Pinnwänden sowie den Impulspräsentationen ist im DG HOCH N-Wiki hinterlegt.

Die BMBF-Initiative „Nachhaltigkeit in der Wissenschaft" – Wo wollen wir hin?

Dr. Martin Schulte vom BMBF schloss die Tagung mit einem Dank an die Teilnehmenden, die alle zum Erfolg des Symposiums beigetragen haben. Das Engagement und die Motivation der Teilnehmenden hat den Austausch zwischen verschiedenen Akteursgruppen befördert und neue Ideen und Kooperationen entstehen lassen, um die Verankerung von Nachhaltigkeit im Wissenschaftssystem weiter voranzutreiben. Er unterstrich, dass die BMBF-Initiative „Nachhaltigkeit in der Wissenschaft" fortgeführt wird und durch die Beiträge der Teilnehmenden weiterentwickelt werden kann.

TWITTER - Bildzitate vom Veranstaltungstag

Zuletzt geändert am