Fasziniert vom Untergrund

Bohrkerne und arktische Expeditionen haben Bettina Strauch bereits begeistert, als sie noch Laborantin war. Unterirdische Salzlagerstätten sind heute ihr Spezialgebiet. Die Wissenschaftlerin untersucht, ob wir dort in Zukunft unsere Energie speichern können.

„Es war einfach super zu sehen, dass wir tatsächlich eine kleine Kaverne im Salz geschaffen haben." Strahlend berichtet Bettina Strauch von diesen künstlichen Hohlräumen, in denen man Gase und Flüssigkeiten speichern kann – weil sie sich gut abdichten lassen. Zusammen mit ihrem Kollegen Martin Zimmer hat sie die Proben aus dem Salzbergwerk bis weit in den Feierabend hinein im Labor bearbeitet und mit zunehmend stumpfer Säge und purem Körpereinsatz einen kleinen Hohlraum offengelegt.

Große technische Kavernen können aufgrund ihrer Abdichtungswirkung sowohl Erdgas als auch Druckluft, Erdöl oder auch Wasserstoff speichern. Die Eigenschaften dieser Hohlräume in den unterirdischen Salzlagerstätten untersucht die Geologin Strauch: „Da hat noch keiner reingeschaut! Wir befinden uns im Projekt ProSalz in einem experimentellen Bereich und untersuchen offene Fragen, die derzeit noch niemand anderes bearbeitet." Die Geologin leitet das Projekt am Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam (GFZ), das eine wichtige Rolle für die Energiewende spielt– denn Energiespeicher werden dringend gesucht.

Ortswechsel – Vom Labor in die Welt und zurück

„Als die Forscher mit ihren Bohrkernen aus der Arktis erstmals in mein Labor kamen – das hat mich gepackt!", schwärmt Strauch. Mit Begeisterung Neuland betreten – für Strauch nichts Neues. Damals war sie noch technische Angestellte am AWI, dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Die Geschichten und die Orte hinter den Laborwerten, die hat sie auch sehen und erleben wollen. Der Funke war übergesprungen: Sie holte ihr Abitur an der Abendschule nach und studierte Geologie. Ihre erste Reise führte sie nach Argentinien. Die Naturvielfalt hat sie sprachlos gemacht: „Sicher hat dies auch mit meiner Prägung aus DDR-Zeiten zu tun – auf einmal wurden mir ganz neue Welten eröffnet." Für ihre Diplomarbeit kam ihr diese Prägung in anderer Weise entgegen: ihre Russischkenntnisse haben die Zusammenarbeit mit den Partnern auf einem russischen Forschungsschiff erheblich erleichtert. „Die Arbeit auf Augenhöhe, mit den ersten eigenen Proben, die detaillierten Auswertungen bis nachts im Labor: das war schon etwas ganz Besonderes". Auch ihre Promotion in Großbritannien führte sie zurück nach Russland, auf die Halbinsel Kola in der russischen Tundra, dorthin wo im Sommer die Sonne nie untergeht.

Manchmal vermisst sie die Expeditionen und die Arbeit auf Forschungsschiffen. Aber alles hat seine Zeit. Als Projektkoordinatorin kann sie ihre Leidenschaft für die Forschung aktuell im Labor am GFZ und Untertage ausleben – und nach der Arbeit Zeit mit ihren beiden Kindern und ihrer Familie verbringen. Beide Rollen zu vereinen sei selten einfach, insbesondere wenn Experimente im Labor oder im Feld zeitlich eng getaktet sind und sie Fristen für Projektanträge einhalten muss. Denn ihr wissenschaftlicher Ehrgeiz ist groß.

Schichtwechsel – Von der Theorie in die Praxis

Bettina Strauch misst sowohl im Bergwerksstollen als auch im Labor. Im aktiven Salzbergwerk bei Fulda untersucht sie mit dem Projektteam, wie das Wechselspiel von Gas, Wasser und Salz zwischen Festgestein und Hohlraum konkret verläuft. Von winzig kleinen bis sehr großvolumigen Anlagen wiederholt das Team vergleichende Versuche im Labor und im Feld und ergänzt sie um numerische Simulationen und Modelle.

Ihre Experimentierfreude, Genauigkeit und ihr Ehrgeiz helfen Strauch im Forschungsalltag. Insbesondere bei Unbekanntem, das erst während der Durchführung der aufwendigen Experimente Untertage auftritt. „Manchmal liege ich abends wach und überlege, wie ungelöste Aufgaben zu bewältigen sind." Denn der Projektantrag bildet natürlich die Idealform des Projektes ab. „Hätte ich gewusst, welche Unwägbarkeiten auf mich zukommen – vielleicht hätte ich mich gar nicht erst darauf eingelassen", lacht Strauch. Aktuelles Beispiel: Bohrlochverschluss. Für die geplante Bohrung im Salzsockel gibt es keine standardisierte Dichtung. Flexibilität und technisches Know-How sind gefragt. Gemeinsam mit den Ingenieurinnen und Ingenieuren des Bergbau-Partners und den Technikerinnen und Technikern im GFZ ist eine Vorrichtung zu entwickeln, die die Bohrung für die notwendigen Messungen abdichtet.

„Ein totales Glücksgefühl war die Bewilligung des Projektantrags", beschreibt Strauch die Zusage. Gemeinsam mit den Kollegen des GFZ, den beteiligten Unternehmen sowie den Partnern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sind sie der Ausschreibung des BMBF zu „Nutzung unterirdischer Geosysteme" gefolgt – mit erfolgreicher Zusage für das dreijährige Verbundprojekt. Die Projektskizze hatte sie gemeinsam mit ihren Partnern innerhalb nur einer Woche geschrieben.

Die ersten Messergebnisse am Rechner von Strauch zeigen: die Daten der Geochemie und Geophysik ergänzen sich in ihrer Aussage – keine Auffälligkeiten, die Auskunft über mögliche undichte Stellen geben könnten. „Als Wissenschaftlerin will ich natürlich einen abweichenden Gradienten sehen." Für eine sichere Speicherung in der Kaverne hingegen deuten die ersten Ergebnisse auf das gewünschte Sicherheitssiegel, da es keinen Hinweis auf wandernde Gase oder Flüssigkeiten im Salzsockel gibt.

Rollenwechsel – Von der technischen Angestellten zur wissenschaftlichen Leiterin

Die experimentelle Laborarbeit hat Strauch von der Pike auf gelernt. In die Rolle der Projektleiterin ist die Geologin schnell hineingewachsen. Die Verantwortung für das Projekt, die Koordination mit allen Partnern aus Forschung und Industrie, die Zusammenarbeit mit den Bergleuten und Technikern Untertage beschreibt sie als sehr kooperativ und wertschätzend. Genauso wie mit ihrem aktuellen Vorgesetzten im GFZ. „Mein Departmentsleiter modelliert aktuell in einem Teilprojekt – hier bin ich jetzt mal seine Chefin", sagt Strauch und lacht.

Massenspektrometer, technische Aufbauten, diverse Schütten mit Schrauben und Muttern, zahllose Kabel zieren die Wände in ihrem Labor. „Männerlabor" – so beschreibt Strauch ihr zweites Reich augenzwinkernd, in dem sie ihren festen Platz gefunden hat. Anpacken, das kann die Forscherin nach wie vor: die fein säuberlich verpackten Proben aus dem Salzwerk warten bereits darauf, untersucht und zersägt zu werden.

Hintergrund-Infos

Dr. Bettina Strauch leitet am GFZ-Potsdam das Verbundprojekt ProSalz, Prozessverständnis, Skalierbarkeit und Übertragbarkeit von reaktivem Mehrphasentransport in Salzlagerstätten. „Energiewende im Untergrund" oder „Georessource Untergrund" - unter diesen Schlagworten bündeln sich die aktuellen Forschungsfragen und machen deutlich: der Untergrund rückt in den Blickpunkt von Wirtschaft und Politik. Für die Debatte einer nachhaltigen Energiewende liefert die grundlegende Arbeit von Strauch gleichzeitig relevantes „Entscheidungswissen" für die Gesellschaft. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt das Forschungsprojekt mit insgesamt rund 1,1 Mio Euro unter dem Dach von FONA - Forschung für Nachhaltige Entwicklung, im Rahmen des Fachprogramms Geoforschung für Nachhaltigkeit (GEO:N). Das Projekt hat im Juli 2017 begonnen und läuft bis Juni 2020.

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